Amazon: »Schwarze Adler«

© Broadview Pictures

Es tut oft weh

Es ist eine Binsenweisheit: Fußball findet im Kopf statt. Schmerzlich erleben musste dies Erwin Kostedde, dem als erstem schwarzem Profi in Deutschland der Sprung ins Nationalteam gelang. Ein erhebendes Gefühl, an das er gerne zurückdenkt, eigentlich. Denn bei seinem zweiten Einsatz im Länderspiel gegen England wurde der Sohn eines afroamerikanischen GIs und einer deutschen Mutter von deutschen Hooligans wegen seiner Hautfarbe beleidigt. Die Worte gingen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Deshalb kickte er während des gesamten Spiels »wie ein Eimer Wasser«. Entsprechend war seine Karriere im Nationalteam nach drei Einsätzen schon wieder beendet.

Schade, denn Kostedde war ein begnadeter Könner. Nicht zufällig ist er die Schlüsselfigur in »Schwarze Adler«. Nach »Die Unbeugsamen« über Frauen im Bundestag widmet Torsten Körner sich nun einer anderen diskriminierten Gruppe. Porträtiert werden Frauen und Männer mit afrikanischen Wurzeln, die für die deutsche Nationalmannschaft aufliefen. Ausführlich zu Wort kommen Jimmy Hartwig, Steffi Jones, Anthony Baffoe und andere.

Ihre Erzählungen sind bewegend, erschütternd und zum Teil auch von grimmiger Komik. Der aus Togo stammende Stürmer Guy Acolatse, einer der ersten Schwarzen Spieler in der Bundesliga, war in den 60er Jahren der Wegbereiter für Erwin Kostedde. Seine Geschichte zeigt, dass man manchmal auch foul spielen musste, um sich als afrikanischer Profi in der Bundesliga durchzusetzen. Nachdem der Gegenspieler ihn fies beleidigte, verschaffte Acolatse sich Respekt mit dem Spruch: »Ich bin ein echter Neger, ich werde dich beißen«.

Mit einer Blütenlese skurriler Film- und Fernsehausschnitte erinnert Körner indes daran, wie schwarze Sportler im deutschen Fernsehen als Exoten vorgeführt wurden. Nachdem ein sehenswertes Tor von Beverly Ranger 1975 zum »Tor des Monats« gewählt worden war, kündigte man die Jamaikanerin in der »Sportschau« mit einem Vico-Torriani-Schlager an: »Schön und kaffeebraun sind alle Frauen' aus Kingston Town«. Das tut körperlich weh.

Körner zeichnet den Weg nach, auf dem in der Öffentlichkeit allmählich ein Problembewusstsein für solche Ausgrenzungen entstand. Als Umschlagpunkt markiert der Film die Karriere des ghanaischstämmigen Gerald Asamoah, der sich als erster Schwarzer in der Nationalmannschaft auch durchsetzen konnte. Eine wichtige Marke auf diesem Weg ist Jérôme Boateng, der einmal von einem AfD-Politiker beleidigt wurde – aber trotzdem das erreichte, was Kostedde verwehrt wurde: 2014 wurde er Weltmeister. Leider kommt Boateng ebenso wenig zu Wort wie Antonio Rüdiger, Serge Gnabry und Leroy Sané, jene drei »schwarzen Adler«, die gegenwärtig zu den Leistungsträgern des Nationalteams zählen. 

»Schwarze Adler« ist die beklemmende Bestandsaufnahme einer Feindseligkeit gegenüber dunkelhäutigen Fußballern. Unschöne Szenen aus deutschen Stadien belegen, dass die Ablehnung nicht überwunden ist. Seine stärksten Momente hat der Film, wenn die unterschiedlichen Persönlichkeiten in ihrer Individualität aufblitzen und nicht nur als Beispiele für die antirassistische Botschaft fungieren.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt