Streaming-Tipp: »Des«

»Des« (Miniserie, 2020). © Starzplay

»Des« (Miniserie, 2020). © Starzplay

Bitter und sehenswert

»Im Schrank«, lautet die lapidare Antwort, als 1983 der unauffällige Beamte Dennis Nilsen (David Tennant) in seiner Wohnung im Norden Londons von zwei Polizisten gefragt wird, wo der Rest der Leiche sei. Eigentlich hatten Detective Chief Inspector Peter Jay (Daniel Mays) und sein Kollege nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, schließlich waren sie sich, nachdem ein paar menschliche Knochen den Abfluss im Haus verstopft hatten, noch nicht einmal sicher, mit was für einem Fall sie es zu tun haben. Doch tatsächlich wartet dann im Schrank ein schrecklicher Fund auf sie, und statt sich irgendwie zu wehren, lässt der Verdächtige sich bereitwillig verhaften und gesteht noch auf der Fahrt zum Revier, dass die Zahl seiner Opfer mindestens im zweistelligen Bereich liege.

Es ist ein wahrer Fall, der dem Dreiteiler »Des« zugrunde liegt: Der Schotte Nilsen, genannt Des und auch bekannt als »Muswell Hill Murderer«, war einer der schlimmsten Serienmörder in der Geschichte Großbritanniens. Mindestens ein Dutzend junger Männer brachte er zwischen 1978 und 1983 um, für sechs Morde und zwei Mordversuche wurde er schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb 2018.

Wo zuletzt andere Geschichten über Serienmörder – von »The Assassination of Gianni Versace« über »Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile« bis »Der goldene Handschuh« – häufig unter einem Übermaß an Spekulation, Empathie oder Lust am Schock litten, übt diese Miniserie – inszeniert von Lewis Arnold (»Broadchurch«, »Humans«) und geschrieben von Luke Neal und Kelly Jones – auf allen Ebenen Zurückhaltung. Hier ist nichts reißerisch oder schrill, von einer Glorifizierung des Titelhelden kann keine Rede sein. Stattdessen lastet bleischwer die bittere Trübnis der Thatcher-Jahre auf jeder einzelnen Szene (was »Des« übrigens zu einem interessanten Begleitstück zur neuen Staffel von »The Crown« macht). Die Homophobie, allgegenwärtige Obdachlosigkeit und Drogenabhängigkeit, die wachsende Armut und Klassenkluft, all das ist untrennbar mit dem Fall verbunden.

Die Annäherung an Nilsen geschieht hier aus zwei Richtungen, seitens des Chefermittlers Jay sowie durch den Biografen Brian Masters (Jason Watkins), dem immer wieder die morbide Faszination für sein Gegenüber in die Quere zu kommen droht und auf dessen Buch »Killing for Company« die Serie basiert. Sie bleibt dabei unvollständig, auch weil Des sich zum Glück rein auf die Zeit zwischen Verhaftung und Prozess, auf die nicht immer zufriedenstellenden Ermittlungen beschränkt. Auf Rückblenden, sei es in die wenig erfreuliche Kindheit, sei es zu den ungemein grausamen, wohl auch nekrophilen Taten, wird verzichtet.

Bitter und schwer erträglich ist der Dreiteiler trotzdem, sehenswert allerdings ebenfalls. Verantwortlich dafür sind nicht zuletzt die Schauspieler. Dass Tennant eine Klasse für sich ist, wusste man. Aber Mays und Watkins, beide seit Jahren verlässliche und fleißige Charakterdarsteller in Nebenrollen, müssen sich hinter ihm nicht verstecken.

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