Nahaufnahme von Bryan Cranston

Bryan Cranston am Set von »The Infiltrator« (2016)

Bryan Cranston am Set von »The Infiltrator« (2016)

Fleißig war Bryan Cranston schon immer. Aber erst in »Breaking Bad« wurde sein Talent so richtig sichtbar. Inzwischen kann der integre Charakterschauspieler sich die Rollen in großen Filmen aussuchen

Er ist der unscheinbare kleine Mann, der sich tagein, tagaus abrackert, ohne aufzufallen, der verlässlich funktioniert und einem stillen inneren Ehrenkodex gehorcht. So spielte er viele Jahre lang zunächst kleine Rollen in Fernsehserien und am Rande großer Hollywoodproduktionen: einen versehrten amerikanischen Colonel in »Der Soldat James Ryan«, einen Cop im Dunstbereich von Matthew Mc­Conaugheys »Lincoln Lawyer« (Der Mandant), einen CIA-Mann, der in »Argo« seine Jungs nie leichtfertig über die Klinge springen lassen würde, den Automechaniker, der den Stunt- und Fluchtfahrer Ryan Gosling in »Drive« nicht verraten würde, selbst wenn es ihn das Leben kostet, und den Kernphysiker, der in »Godzilla« mit beunruhigenden Ungereimtheiten in seinem Labor konfrontiert ist. Seit den frühen achtziger Jahren sammelte Cranston mit stoischem Fleiß 145 Credits an. Erst um die Jahrtausendwende, mit mehr als 40 Jahren, kam eine markantere Rolle: der ebenso ängstliche wie verspielte Dad von »Malcolm mittendrin«. Der Durchbruch folgte 2009, als der Autor Vince Gilligan eine Idee hatte, die im Rückblick nicht unbedingt naheliegend, aber grandios war: Als Walter White in »Breaking Bad« rackert Cranston sich tags als überqualifizierter Chemielehrer ab und jobbt nach Schulschluss in einer Autowäscherei. Wieder ist er ein Mann mit klarem moralischem Kompass, und es muss schon etwas Einschneidendes passieren, um ihn von diesem Weg abzubringen – etwa die Diagnose Lungenkrebs. Es war natürlich ein genialer Coup, in dieser Rolle jemanden wie Cranston zu besetzen, der mit jeder Faser seiner Erscheinung biedere Zuverlässigkeit ausdünstet – umso größer der Kontrast zum skrupellosen Milieu der Drogendealer und Auftragskiller, in dem Walter sich plötzlich behaupten muss. Mit ein paar hinreißend beiläufigen Handbewegungen und minimaler Mimik illustriert Cranston Walters Fassungslosigkeit über diesen Wandel vom Bürger zum Kriminellen. Urkomisch ist es, wenn er mitten in der Wüste vor dem Laborwohnwagen seine guten Kleider auszieht und sorgsam faltet, um anschließend in Unterhosen, mit nacktem Oberkörper und Plastikschürze Crystal Meth zu kochen, nach allen Regeln seines Chemiestudiums. Faszinierend, zuzusehen, wie dieses neues Leben zunehmend auf seinen Alltag als biederer Familienvater abfärbt, wenn er sich plötzlich gegen Park-Rowdies zur Wehr setzt, die Jungs verprügelt, die sich über seinen behinderten Sohn lustig machen, und auch im Eheleben wahren Sex-Appeal entwickelt, weil die Lust am Verbotenen Funken zündet.

»Breaking Bad« (2008–2013)

Bryan Cranston weiß, dass Walter White die Rolle seines Lebens ist; 62 Folgen und fünf Staffeln lang hat er sie gespielt, in einem aufregenden Balanceakt zwischen Grundanständigkeit und Skrupellosigkeit. Der Erfolg eines Schauspielers hänge davon ab, ob er sich an diese dunklen Orte wage, sagt Cranston, der vielschichtig mit dem Wissen spielt, dass unter Umständen auch der bravste Familienvater zu unglaublichen Dingen fähig ist. Was immer er tut – die Zuschauer bleiben bei ihm. Schließlich tut er das alles ja auch nur, um die Zukunft seiner schwangeren Frau, seines an zerebraler Kinderlähmung leidenden Sohnes und seiner ungeborenen Tochter zu sichern.

»Der lange Weg« (2016). © HBO

Die Integrität, die man von Fernsehen und Kino kennt, ist auch der Maßstab, nach dem Cranston seine Rollen auswählt, die seit »Breaking Bad« immer schillernder und prominenter werden. So spielte er unter der Regie von Jay Roach den wehrhaften Drehbuchautor Donald Trumbo (seine erste Oscarnominierung) und den Präsidenten Lyndon B. Johnson (im TV-Film »All the Way«/»Der lange Weg«). Als »Infiltrator« stellt er dem berüchtigten Drogenpaten Pablo Escobar nach. In »Why Him?« wird er sein komisches Talent als Rivale des Freundes seiner Tochter zeigen, den James Franco spielt, der Cranston wiederum in seiner John-Steinbeck-Verfilmung »Indubious Battle« besetzt hat. Auch Richard Linklater und Wes Anderson haben sich seine ehrliche Präsenz gesichert, und unter der Regie von Neil Burger wird er im US-Remake von »Ziemlich beste Freunde« auftreten. Die ruhige Beharrlichkeit der frühen Jahre hat sich ausgezahlt, aus dem aufrechten Jedermann ist einer geworden, der sich nichts mehr gefallen lässt. Und was ihn als Schauspieler antreibt, sind nicht Geld und Ruhm, sondern die Lust, die Menschen zum Lachen und zum Weinen zu bringen. Und dazu, Angst zu haben.

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