Mama ist an allem schuld

»Serial Mom« (1994)

»Serial Mom« (1994)

Unsere "steile These" des Monats Januar

Sie sind Parasiten. Verführen die Freunde ihrer Töchter. Erziehen ihre Söhne zu Psychopathen. Streifen mit der Familie marodierend übers Land. Wegen kleiner Unregelmäßigkeiten der Haushaltsführung – Kleiderbügel aus Draht, Video nicht zurückgespult – geraten sie in Raserei. Und wenn’s hart kommt, machen sie sich vom Acker. Mütter. In »Alien«, »Reifeprüfung«, »Psycho«, »Bloody Mama«, »Mommie Dearest«, »Serial Mom«, »The Road«. Okay, das sind amerikanische Genrefilme, fast alle in die Jahre gekommen. Heute ist die Lage an der Reproduktionsfront komplizierter. Aber etwas unheimlich erscheinen Mütter noch immer. Und nicht nur im Mainstreamkino, wo der Joker gerade die Genese des autoritären Charakters auf eine fatale Mutterbindung zurückgeführt hat  – Norman Bates lässt grüßen –, auch im europäischen Autorenfilm und sogar, wenn Frauen am Werk sind, kommt Mama nicht gut rüber. Die prekäre Alleinerziehende in »Systemsprenger« ist so ins Unreif-Flatterhafte überzeichnet, dass man gleich sieht – ihre Liebe wird nicht reichen. Die Protagonistin im »Vorspiel« weiß ihr kuschliges Leben an der Seite eines Genussmenschen nicht zu schätzen und knechtet den talentierten Sohn; die in »Little Joe« verbringt mehr Quality Time mit einer Topfpflanze als mit ihrem Kind.

In jedem Fall verbreiten diese Frauenfiguren den kalten Hauch seelischer Abwesenheit. Und bringen kein gescheites Abendessen auf den Tisch. Vielleicht hat dieses traurige Image seinen Grund darin, dass wir mit den Ansprüchen, die die postfeministische Ära an Frauen stellt – Karriere und Familie? Alles allein schmeißen? Easy! – schlecht zurechtkommen. In den Kinematografien traditioneller organisierter Gesellschaften, bei Bong Joon-ho oder Brillante Mendoza stellt sich das Problem so nicht – da gibt’s noch richtige Löwenmütter, die mit Klauen um ihre Babys kämpfen. Bevor wir Frauen im Westen uns jedoch weiter selbst geißeln für unsere alltägliche Unzulänglichkeit, würde ich vorschlagen, dass das Kino die Lebensleistung des modernen Vaters auch mal problematisiert. So eine Apokalypse kann ja wohl kein Grund sein, sich daheim auf Überstunden rauszureden.

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