Kritik zu Welcome Home, Baby
Eine Berliner Notärztin reist in das Heimatdorf ihrer Eltern, das sie selbst nie kennengelernt hat – der österreichische Horrorexperte Andreas Prochaska spielt in seinem neuen Werk mit eindringlichen Gruselbildern und mysteriösem Plot
Warum nur übergießt die Frau sich mit Benzin und zündet sich an? Diese bange Frage stellt sich zu Beginn von »Welcome Home Baby«. In seinem neuen Film, mit dem er dem Genre des Horrorthrillers treu bleibt, variiert der Österreicher Andreas Prochaska das klassische Motiv der mysteriösen Heimsuchung. Im Fokus steht die junge Berliner Notärztin Judith (Julia Franz Richter). Routiniert, zupackend und einfühlsam hilft sie zu Beginn einer Hochschwangeren, die noch im Flur eines Hochhauses niederkommt. Der beiläufige Schnitt auf einen Mann, der unterdessen teilnahmslos auf einem Balkon raucht, stellt die Rollenverteilung klar: Mit dem Kinderkriegen haben Männer hier offenbar nicht allzu viel zu tun.
Mit Kindern hat auch die patente, selbstbestimmte Medizinerin nichts am Hut. Da ihre Eltern sie schon früh zur Adoption freigaben, ist Schwangerschaft für sie negativ besetzt. Auch die Trauer über das Ableben ihres Vaters, den sie nie kennenlernte und der ihr nun sein Haus in einem österreichischen Dorf vermachte, hält sich in Grenzen. Mit ihrem Mann Ryan (Reinout Scholten van Aschat) reist sie also an, um das Gemäuer, das zwar geräumig, aber nicht viel wert ist, möglichst rasch zu verkaufen.
Doch in diesem Provinznest geschehen seltsame Dinge. Mit gespenstischer Beharrlichkeit nötigen ältere Frauen aus dem Ort Judith, die väterliche Arztpraxis weiterzuführen. Irgendwie scheint jeder nur auf ihre Ankunft gewartet zu haben. Die Frauen verfolgen offenbar einen sinistren Plan. Allen voran ihre – vermeintliche – Tante Paula (Gerti Drassl), deren überschwängliche Freundlichkeit allmählich einer manipulativen Übergriffigkeit weicht. Dank der seltsamen Aufdringlichkeit dieser hexenhaften Frauen, allen voran Gerti Drassl, verdichtet sich eine morbide Stimmung wie in einem Ulrich-Seidl-Film. Bei ihren Versuchen, das Rätsel um ihre Mutter zu erkunden, verirrt Judith sich in Raum und Zeit. Mehrmals taucht sie aus einem See auf, ohne zu wissen, wie sie dort hinkam. Im verblüffendsten Moment erwacht sie und ist zu ihrem Entsetzen im neunten Monat schwanger, ohne dass sie weiß, wie dies geschehen ist.
Die Verbeugung vor »Rosemary's Baby« ist offensichtlich. Julia Franz Richter erinnert in dieser Rolle an Mia Farrow, setzt aber auch eigene Akzente. Doch anders als in Polanskis Klassiker, in dem teuflische Machenschaften Rosemary Woodhouse in den Wahnsinn treiben, wird jene mysteriöse Intrige toxischer Frauen, durch die Judith wider Willen einen monströs dicken Bauch bekommt, nicht so recht greifbar. Das Loch in der Zeit, dank dem Monate übersprungen werden, wird nicht überzeugend erklärt. Prochaska und seine Kamerafrau Carmen Treichl haben zwar ein Gespür für atmosphärische Bilder, trotzdem ist die Stimmung in diesem namenlosen Provinzdorf nicht wirklich unheimlich. Die Effekte bleiben grell und vordergründig, der Plot erscheint mit seinen losen Enden etwas unausgegoren. Da wäre mehr drin gewesen.




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