Interview: Helge Schneider über »The Klimperclown«

»The Klimperclown« (2024). © Radius Films

»The Klimperclown« (2024). © Radius Films

Helge Schneiders neuer Film »The Klimperclown« ist ein autobiografischer Dokumentarfilm, in dem der Meister des absurden Nonsens zweigleisig fährt: Er zeigt bisher unveröffentlichtes Archivmaterial wie Live-Mitschnitte aus den 1980ern oder seinen ersten Kurzfilm »Le Privatier«, bietet damit einen enormen Service für die Fans. Und er persifliert die Stilmittel des handelsüblichen Dokumentarfilms durch Spielszenen, in denen er seine unnachahmliche Komik nutzt, um jede direkte Information über sich zu vermeiden. Man kann mit diesem Film Helge Schneider näherkommen – über Bande

Nach jedem Film sagen Sie, dass Sie keine weiteren Filme machen wollen, weil es so anstrengend ist. »The Klimperclown« scheinen Sie nun gern gemacht zu haben – weil es ihr eigenes Projekt war?

Genau. Wir hatten ein ganz kleines Team, wir waren nur zwei Leute: ich und mein Gitarrist Sandro Giampietro. Und das macht dann natürlich Spaß. Anstrengend beim Filmemachen ist, dass man nicht spontan sein kann, wenn man mit einem großen Stab arbeitet. Dann muss man immer warten. Wenn man sich so überlegt, die Aufnahmen, die wir jetzt alleine gemacht haben: Vor zwanzig Jahren habe ich ähnliche Aufnahmen gemacht, da waren dann 40, 50 Leute oder so beschäftigt. Heute ist das nicht mehr nötig. Früher gab es eben 35mm-Film, da brauchte der Kameramann seine Assistenten, man brauchte stärkeres Licht, so kommt eines zum anderen.

Wobei Sie ja auch »00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse« von 2013 noch analog gedreht haben. Haben Sie damit die Abläufe absichtlich verkompliziert?

Was heißt verkompliziert? Ich habe eigentlich tatsächlich gedacht, wir sind spontaner, weil wir nicht so viel Material verbraten können. Deshalb könnte man spontaner sein, aber letztlich stimmt das nicht, die Rechnung ging nicht auf. Wir haben jetzt beim »Klimperclown« eine völlig andere Situation, wirklich ganz anders: Wir drehen und schneiden direkt, und dann ist der Film fertig.

Wann haben Sie beide angefangen, für diesen Film zu drehen? 

Die Idee gibt es seit drei Jahren. Ich habe zuerst versucht, mit jemand anderem zu drehen, das funktionierte aber nicht. Dann haben Sandro und ich gesagt, komm, wir übernehmen das jetzt allein. Ohne Team, ohne alles, da haben wir viel mehr Spaß gehabt. Das ist jetzt vielleicht anderthalb, zwei Jahre her. 

Sandro Giampietro kennt man seit vielen Jahren als Gitarrist bei Ihren Auftritten, aber er ist ja auch filmtechnisch versiert. 

Wir haben kaum Stativ benutzt! Das muss man erstmal können, die Kamera ruhig halten! Leicht sind die nicht, obwohl das mittlerweile digital ist, allein das Objektiv. Wir haben inzwischen angefangen, einen weiteren Film zu drehen, in Spanien, das Objektiv ist fast schwerer als die Kamera, das muss man immer mit dem Körper ausgleichen. Er macht das wirklich mit viel Power und Liebe.

Er hat ja auch die Postproduktion quasi alleine gemacht.

Das ist der Vorteil, wenn man Kamera macht, dass man schon sieht, wie man es dann schneiden kann.

Wann haben Sie herausgefunden, dass Giampietro der perfekte Mann dafür ist?

Wir haben Musikvideos gedreht, da hat er die Kamera übernommen, wenn ich im Bild war. Dann haben wir das immer mehr in Richtung Film gelenkt.

Für das Drehbuch haben Sie dann einfach Ideen zusammengeworfen?

Wir haben spontan angefangen, dann kam eins zum anderen. Machen wir das noch, dann ist uns das noch eingefallen… Wir haben vorher nur gesagt, was wir nicht haben wollen: Wir wollten keine Talking Heads haben, also irgendwelche Personen, die über mich reden. Wir wollten Musik haben, aber nicht unbedingt viel quatschen, wir wollten keine Filmausschnitte, weil man die ja sowieso gucken kann, und von allem Helge-Material, was man auf YouTube sehen kann, ist auch nichts drin. Wir haben nur originale, noch die dagewesene oder gezeigte Aufnahmen genommen.

Es gibt ja einige Dokumentationen über Sie, zum 50. vom WDR, vor zehn Jahren einen Kinodokumentarfilm. Aber eigentlich haben Sie ja schon 1992 Ihre Autobiografie herausgebracht, wo Sie sehr ausführlich über sich erzählen.

Es ist ja so: Wenn Leute über jemanden, der prominent ist, einen Film drehen wollen, dann liegt das nicht daran, dass sie den lieben und dass die unbedingt für den was machen wollen, sondern sie machen das für sich. Sie wollen ihren Film drehen: Das ist ja nicht schlimm, ist ja legitim. Aber ich konnte jetzt mal sagen: Ich will einen Film über mich drehen, aber ich muss dabei nicht zum Beispiel mit Lobhudeleien überhäuft werden, sondern ich kann mal meine Arbeit zeigen, und das habe ich mit dem Film auch gemacht. Und ich kann auch zeigen, wo die herkommt. Mehr will man ja auch gar nicht. Meine Herkunft ist in dem Film beschrieben, es ist beschrieben, dass ich ein Außenseiter bin, und es ist beschrieben, dass meine Musik irgendwie berührt. Das haben wir ganz gut hingekriegt, glaube ich. Und bis jetzt habe ich das in einem anderen Dokumentarfilm so nicht gesehen. Nicht mit dieser Nähe. Allein wenn ich Baritonsaxophon spiele, das kann man nicht, wenn da so ein Team ist. Beleuchter, Toningenieur, Kameramann, Regie, Regieassistent, das sind schon fünf Leute, dann hast du nicht die Intimität.

Eine schöne Szene, wo Sie Saxophon spielen, und dann drehen Sie sich um und machen den Kassettenrekorder an mit der alten Aufnahme aus dem Downtown-Club.

Das meine ich zum Beispiel. Das ist so spontan, das kann man anders nicht machen.

Sie parodieren in Ihrem Film ja auch die üblichen Dokumentarfilme.

Es ist eine Persiflage. Zum Beispiel, wenn die Resi in ihrer Rolle als Kindergefährtin plötzlich ins Heulen kommt und die Kamera das Bild so verdichtet, ganz nah rangeht an die Tränen. Wenn ich sowas im Fernsehen sehe, krieg ich immer zu viel. Oder auch der Journalist, der Reporter von der Zeitschrift Men Today, das ist so typisch mit den Fragen: Ja, wie ist der denn so! Das sind alles Sachen, die natürlich vollkommen uninteressant sind. Die, wenn sie von den falschen Personen gefragt werden, auch nie gut beantwortet werden.

Oder die Begegnungen mit Weggefährten, etwa mit Filmproduzent Hanno Huth, ihr unterhaltet euch, aber man hört nichts. Oder Alexander Kluge, wo man nur Satzfetzen vorgesetzt bekommt. Über Bande erzählt das viel über Sie.

Der Film ist eigentlich gute Unterhaltung. Darum ging es mir natürlich auch, ein gutes Gefühl zu bringen. Der Film ist nicht besonders lang, aber er wirkt noch kürzer, als er ist. Das ist immer ein gutes Zeichen. 

Die Szene mit Helge Malchow, Ihrem Verleger, ist auch bezeichnend: Er philosophiert über den Namen Helge, den viele für einen Mädchennamen halten, und etwas ähnliches haben Sie schon damals in Ihrer Autobiografie geschrieben. Im Film ist Ihnen bei diesen Ausführungen total langweilig, Sie stehen auf und gehen. Hat Malchow von sich aus damit angefangen, oder haben Sie ihm die Worte in den Mund gelegt?

Nee, gar nicht! Er hat noch viel mehr erzählt, wir haben aber nur das Uninteressante genommen.

Ab der Hälfte, habe ich das Gefühl, zelebrieren Sie in einigen Szenen die Langeweile: Wenn ein Auto beim Einparken gezeigt wird, oder Sie durch Spanien fahren oder durch die spanische Stadt spazieren, da passiert ja an sich gar nichts.

Sieht aber gut aus!

Sieht gut aus. Haben Sie da beim Schnitt Angst gehabt, die Zuschauer zu verlieren?

Nein, die verliere ich nicht. Das ist ja interessant, zusammen mit der Musik, die wir da laufen lassen.
Ich muss auch einfach mal sagen: Sandro und ich haben den Film ganz alleine produziert. Und ich muss sagen, ich persönlich – ich glaube auch Sandro –, wir haben überhaupt nichts zu verlieren. Es ist ja nur Spaß. Auch wenn ich jetzt wieder einen Spielfilm mache: Ich habe nichts zu verlieren, ich habe nur Spaß. Ich kann den Leuten was geben, ich will denen ja nichts nehmen.
Auf jeden Fall wollte ich zu meinem 70. Geburtstag nicht wieder so einen Film sehen, den ich nicht gut finde.

Der Film kommt dann auch ins Kino?

Kinostart ist am 7. August. Was heute im Kino angeboten wird, ist ja, sag ich mal, teilweise menschengemachtes Unglück. Mit KI kann man ja keinem mehr trauen, wenn dann einer durch die Gegend fliegt, weiß man nicht, lebt der, ist das eine Zeichentrickfigur, was ist das eigentlich? Ich hab' gerne Jean Gabin gesehen, wenn er am Fenster steht und durch die Rollladen guckt, ob die Polizei kommt. Sowas gibt es ja gar nicht mehr. Sowas bring ich jetzt aber wieder ins Kino. Jetzt beginnt eigentlich ein neues Zeitalter. Ich glaube, wir sind Mega-Trendsetter.

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