Apple TV+: »Carême«

»Carême« (Serie, 2025). © Apple TV+

»Carême« (Serie, 2025). © Apple TV+

Kochen nur fürs Zuschauerauge

Die Geschichte des berühmten französischen Kochs Marie-Antoine Carême (1784–1833) zu erzählen, birgt ein Dilemma: Zum einen ist über die frühen Jahre des Mannes nicht allzu viel bekannt, zum anderen sind seine Verdienste für die Kochkunst eher konzeptioneller Natur, heißt: Er hat nicht wirklich etwas »erfunden« oder Klassiker der Kochkunst geschaffen, sondern verfeinerte und systematisierte bestehende Errungenschaften (etwa Grundsaucen und Menüabfolgen). Aus diesen eher abstrakten Qualitäten eine handfest-spannende Geschichte zu machen, erfordert Mühe und könnte am Ende womöglich nur Gastro-Nerds interessieren. Zumindest Letzteres scheinen sich auch die Macher der französischen Apple-TV-Serie »Carême« gedacht zu haben, denn sie erzählen seine Geschichte mit jeder Menge dramaturgischer Freiheiten und verwickeln ihn dabei in so viele politische Ränkespiele im Umfeld Napoleons, dass man sich bald fragt, warum hier überhaupt ein Koch im Mittelpunkt steht. Zwar war der historische Carême der persönliche Patissier (die Serie befördert ihn kurzerhand zum Küchenchef ) von Napoleons Außenminister Talleyrand, der hier als sein väterlicher Mentor gezeichnet wird (mit einer abstrusen Pointe). Aber dass er jenseits der Küche von Bedeutung war, darf man als reine Fiktion betrachten.

Carême stammte aus einfachsten Verhältnissen, und dass er zum »König der Köche und Koch der Könige« avancierte, hätte Gelegenheit zu einer Reflexion über Aufstieg, Opportunismus und Dekadenz geboten. Stattdessen macht Regisseur Martin Bourboulon aus seinem Leben eine Abenteuergeschichte im Stil seiner beiden »Musketier«-Filme von 2023 – »Carême« ist eine jener opulenten französischen »Qualitätsproduktionen«, wie es sie zum Thema Kochen in den letzten Jahren regelmäßig gab: gut besetzt, zugänglich, leidlich unterhaltsam und irgendwie ziemlich bieder.

Gaumenfreuden werden hier zwar immer wieder mit Sex in Verbindung gebracht, und Hauptdarsteller Benjamin Voisin ist mit Strubbelfrisur, Ohrring und weit aufgeknöpftem Hemd weniger nach dem historischen Vorbild modelliert als nach dem sexy Chefkoch in »The Bear«, aber wirkliche Frivolität traut man sich am Ende doch nicht.

Die wenigen Küchenszenen wirken wie eine »Chef's Table«-Episode in historischem Manufactum-Setting, mit jeder Menge blitzblanker Kupfertöpfe und attraktiven Menschen in schneeweißen Kochjacken. Mit anderen Worten: Für Kulinarik und gastronomische Abläufe interessiert sich die Serie lediglich in einem dekorativen Sinne. Seinen Höhepunkt findet das, wenn Carême (gemäß der Realität) zur Hochzeit Napoleons mit Marie-Louise von Österreich ein Bankett für 5000 Gäste organisiert – in einem luftigen Zelt, mit einem Team, das kaum 50 Leute bewirten könnte. Ihre volle Blüte erreichte die Karriere von Marie-Antoine Carême allerdings erst nach dem Sturz Napoleons, den man sich wohl für eine zweite Staffel aufhebt. Ob man von dieser Fabuliererei noch mehr sehen möchte, ist eine andere Frage.

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