Kritik zu Genderation

© Salzgeber

2021
Original-Titel: 
Genderation
Filmstart in Deutschland: 
21.10.2021
L: 
88 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Monika Treut hat die Protagonist*innen aus ihrem Epoche machenden Dokumentarfilm »Gendernauts« von 1999 erneut aufgesucht

Bewertung: 4
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Vor mehr als zwanzig Jahren hat Monika Treut in San Francisco ihren wegweisenden Dokumentarfilm »Gendernauts« gedreht – zu einem Zeitpunkt, als dort das wilde Trans-Leben tobte, Transgender in der deutschen Öffentlichkeit aber nur in feministischen Kontexten ein Thema war. Mittlerweile hat sich dies und auch vieles andere geändert. Und die Filmemacherin ist erneut nach Kalifornien gereist, um ihre damaligen Protagonist*innen wiederzutreffen und zu sehen, wie sie das Altern und die vielfach veränderten Zeiten erleben.

Doch nicht alle der Transgender-Pionier*innen können wieder dabei sein. Tornado ist an Krebs verstorben. Texas Tomboy nach einem transphoben Überfall psychisch zu instabil für einen Filmdreh. Und Jordy Jones ist nach Hawaii gezogen, für die Reise dorthin reicht das schmale Filmbudget nicht aus. So sind noch fünf von damals beteiligt: Das ehemalige Model Stafford (Gendernaut-Zitat: »Bist du ein Junge oder ein Mädchen? Ja!«) hat eine Hormonbehandlung zum Mann gemacht und in Oakland eine Spedition für Künstlerumzüge gegründet. 

Die Gender-Wissenschaftlerin Susan Stryker arbeitet nach schwierigen Jahren wieder als Gast-Professorin an renommierten Universitäten und erinnert sich mit Nostalgie an die Aufbruchstimmung und Experimentierlust in der queeren Welthauptstadt der 1990er-Jahre. Der Autor und Radikalindividualist Max Wolf Valerio hatte in dem Buch »The Testosteron Files« über die eigene female-to-male-Umwandlung berichtet. Mittlerweile ist er der Republikanischen Partei beigetreten und lebt auch aus Kostengründen bei seinen Eltern bei Denver. Die Medienkünstlerin Sandy Stone hat mit »The Empire Strikes Back. A Posttranssexual Manifesto« einen der grundlegenden Texte der Transgender-Studien geschrieben und später in Santa Cruz einen alternativen Radiosender mitgegründet. Und die Sex-Aktivistin Annie Sprinkle betreibt mit Partnerin Beth Stephens eine weltweite Kampagne für Öko-Sexualität und versammelt in einem Earth Lab an der Universität Santa Cruz und in der eigenen Nachbarschaft Künstler*innen und Aktivist*innen für Umweltkunst.

Allen gemeinsam ist die Verbitterung über die Zerstörung vieler Lebenswelten durch die geballte Kapitalmacht des Silicon Valley und der Menschen, die dort viel Geld verdienen. »Success is killing San Francisco«, sagt Susan Stryker. So ist das ökonomische Überleben ein zentrales Thema. Dabei kommen die am entspanntesten über die Runden, die schon vor Jahrzehnten ein eigenes Haus kaufen konnten wie Susan selbst oder die mit einer Professorin liierte Annie Sprinkle. Stafford, der hart um seine Existenz kämpfen muss, träumt davon, sich mit anderen ein preiswertes kleines Stück Land in der Wüste zu kaufen und dort gemeinsam den Lebensabend zu verbringen.

Treut mischt das historische fast bruchlos mit dem aktuellen Material und bewegt sich in klassisch beobachtender Manier von Schauplatz zu Schauplatz. Gegen Ende werden dann zunehmend persönliche Erfahrungen von Beziehung und Verlust Thema. Und Sandy stellt uns auf einem Foto ihre glückliche fünfzehnköpfige Trans-Patchwork-Familie vor.

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