Nachruf: Jane Birkin

Der freie Geist der 60s
Jane Birkin

Jane Birkin

14.12.1946 – 16.7.2023

Eine relativ kurze Szene als nacktes Model in Michelangelo Antonionis Version von »Swinging London« in Blow Up (1966) hatte zwar einen gewissen Skandalwert, gab aber noch keinen Hinweis darauf, dass Jane Birkin einmal zu einer weltweit bekannten Ikone populärer Kultur werden sollte. Es musste die Begegnung mit dem Chansonnier und Komponisten Serge Gainsbourg hinzukommen. Sie lernten sich bei den Dreharbeiten zu Pierre Grimblats Film »Slogan« (1966) kennen und wurden ein magisches Paar, das zwölf Jahre zusammenblieb. Ihr 1969 erschienenes Lied »Je t'aime... moi non plus«, ein Duett mit Janes Liebesstöhnen zu eingängiger Melodie, sorgte für Empörung, war aber ein internationaler Erfolg. Birkin und Gainsbourg wurden zum Traumpaar, das den freien Geist der hedonistischen Jahre nach der sexuellen Revolution genau widerspiegelte. Aus Jane (Blow up) Birkin war Jane (Je taime) Birkin geworden. Bemerkenswert ist, dass ihr androgyn wirkender Körper, für den sie, wie sie sagte, als Heranwachsende gehänselt worden war, sie nicht gehindert hat, zum Sexsymbol zu werden. Dabei ist ihr Verhältnis zum Körper ein ganz anderes als etwa das von Brigitte Bardot, die rund fünfzehn Jahre früher neue Maßstäbe der Körperpräsenz gesetzt hatte. Beide teilen ein sehr natürliches und unbefangenes Verständnis ihrer Körperlichkeit, doch bei Bardot ist immer ein erotischer Bezug im Spiel, während Birkin signalisiert, dass sie bestimmt, ob Erotik einen Platz haben soll oder nicht.

Die 1946 in London geborene Jane Birkin entstammt gehobenen Mittelklasseverhältnissen. Ihr Vater war Marineoffizier, ihre Mutter Judy Campbell eine in England recht bekannte Theaterschauspielerin, die als Muse des Autors Noël Coward galt. Mit 19 heiratete Jane den 13 Jahre älteren Filmkomponisten John Barry, der unter anderem die Musik zu den ersten Bond-Filmen geschrieben hatte. Mit ihm hatte Jane die Tochter Kate Barry, die Ehe wurde 1968 geschieden. Aus der Verbindung mit Serge Gainsbourg stammt die Tochter Charlotte Gainsbourg, längst selbst sehr bekannte Schauspielerin, und aus einer späteren Verbindung mit dem Regisseur Jacques Doillon stammt die Tochter Lou Doillon, die ebenfalls Schauspielerin und Sängerin ist.

In den 1970ern wurde Birkin durch Filme, Chansons und viele Fernsehauftritte mit Serge Gainsbourg zur Lieblingsengländerin der Franzosen. Obwohl sie in Frankreich lebte, behielt sie ihren englischen Akzent, und ihr verwegener Umgang mit der französischen Grammatik hatte Charme. Meistens spielte sie in leichten Komödien, ihr größter Erfolg war Claude Zidis »Der lange Blonde mit den roten Haaren« (1974) mit Pierre Richard. Zu den relativ wenigen internationalen Produktionen mit ihr zählen »Tod auf dem Nil« (1978) und »Das Böse unter der Sonne« (1982).

Auch nach der Trennung von Gainsbourg 1980 konnte sich Jane Birkin als selbständige Künstlerin behaupten. Sie fand neue Aufgaben im Autorenfilm. Mit Jacques Doillon drehte sie »Ein kleines Luder« (1981) und »La pirate« (1984). Sie spielte bei Jacques Rivette in Theater der Liebe (1984) und Die schöne Querulantin (1991), und hatte die Hauptrolle in seinem letzten Film »36 vues du Pic St. Loup 36« (2007). Sehr interessant war ihre Arbeit mit Agnès Varda bei »Jane B. par Agnès V.« und »Kung Fu Master« (1988), die sie als Darstellerin und Mitautorin mit der Regisseurin entwickelte. Mit ihrer Tochter unternahm sie später etwas Ähnliches in »Jane par Charlotte« (2021), und sie drehte mit »Boxes« (2007) einen eigenen offen autobiografischen Film. 2018 veröffentlichte sie auch ihre lesenswerten kommentierten Tagebücher bis 1982 unter dem Titel »Munkey Diaries«. 

Jane Birkin, die seit langem an Leukämie litt, starb jetzt mit 76 Jahren in Paris.

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