Interview: Regisseur Peter Sohn und Produzentin Denise Ream über »Elemental«

»Elemental«-Premiere in Cannes 2023. (v.l.n.r.) Pete Docter, Peter Sohn, Denise Ream und Jim Morris. © Getty Images for Disney/John Phillips

»Elemental«-Premiere in Cannes 2023. (v.l.n.r.) Pete Docter, Peter Sohn, Denise Ream und Jim Morris. © Getty Images for Disney/John Phillips

Mrs. Ream, Mr. Sohn, die beiden Protagonisten Ihres Films sind Feuer und Wasser, im wörtlichen Sinne. War die Herausforderung, zwei Figuren zu haben, bei denen sich fortwährend viel bewegt, dabei die größte Herausforderung?

Denise Ream: Das war wirklich eine große Herausforderung, es war der erste Film, wo praktisch jede Einstellung ein effect shot ist – und zwar einer, bei dem es nicht um Action geht, sondern um die Figuren. Dafür mussten wir in unserer Arbeit eine ganz neue pipeline schaffen, eine neue Technologie. Auf jeden Fall war es eher viel aufwändiger als Pete und ich uns das vorgestellt hatten, als wir mit unserer Arbeit begannen.

War das denn ein relativ gradliniger Weg oder einer, der eher gekennzeichnet war von Experimenten (die nicht funktionierten) und Sackgassen?

Peter Sohn: Es ist interessant, dass Sie von einem Weg sprechen – ehrlich gesagt, gab es keinen Weg. Denn es gab keine Referenzen, auf die wir uns beziehen konnten für diese Figuren. Es gab realistisches Feuer und Feuer in 2-D, aber etwas zu finden, das die Aufmerksamkeit des Publikums über zwei Stunden hielt, war nicht einfach. Es war einfach ein Experiment nach dem nächsten. 

Mr. Sohn, wie jeder Pixar-Film erzählt auch dieser eine Geschichte, die mit der Lebensgeschichte des Regisseurs zu tun hat. Sie selber wurden in Amerika geboren?

Ja, in New York.

Haben Sich Ihre Eltern schließlich an die amerikanische Kultur adaptiert oder blieb das der nachfolgenden Generation vorbehalten?

PS: Das war weitgehend eine Sache meiner Generation. Meine Eltern haben einiges aufgenommen, was notwendig war um zu überleben in den USA, etwa, wie viel Englisch sie lernen mussten. Meine Mutter hatte da sehr präzise Vorstellungen, wie viel von ihrer eigenen Kultur sie zur Disposition stellen wollte.

Gab es in Ihrer Familie auch so etwas wie den großen Bruch im Film, wo der Großvater auf die Abschiedsgeste seines Sohnes, der mit seiner Frau das Heimatland verlässt, nicht antwortet?

PS: Nein, überhaupt nicht. Mein Vater war sehr umgänglich, strenger war meine Mutter. Der Ursprung dieses Films ist autobiografisch, aber das Ganze entwickelte sich auch ein Stück von mir weg in der Arbeit mit meinem Team. Wir sprachen mit über hundert Mitarbeitern, die alle diese Erfahrungen von Einwanderern der zweiten Generation teilten.

Und wie war es bei Ihnen und Ihrem Bruder: brauchte es seine Zeit, bis Sie die Erfahrungen Ihrer Vorfahren aus der alten Heimat wertschätzen lernten? Als junger Mensch rebelliert man ja eher gegen Traditionen...

PS: Das stimmt. Ich sprach mit einem Wissenschaftler darüber, was kulturelle Aneignung und Assimilierung ausmacht und wie man das als Jugendlicher wahrnimmt. Ich würde sagen, als Kind war ich diesem Erbe gegenüber sehr kritisch eingestellt, aber je älter ich wurde, begann ich es zu akzeptieren bis zu einem Punkt, wo ich wirklich stolz darauf bin. 

Ich hatte den Eindruck, dass die Feuermenschen eine Minderheit in der Stadt sind, Außenseiter, auf die viele der Wassermenschen verächtlich herabsehen.

PS: Ja, die Feuerwesen sind die letzten Immigranten, die in der Stadt angekommen sind, während die Wassermenschen die ersten waren und damit das Stadtbild mit ihrer Infrastruktur geprägt haben. Danach kamen die Erdwesen, dann die Luftwesen und zuletzt die Feuerwesen. Die Stadt wurde nach den Bedürfnissen der Wassermenschen gebaut, so haben andere zwangsläufig das Gefühl, nicht dazu zu gehören, besonders die Feuermenschen mit ihrem direkten Gegensatz zum Wasser.

Die Mutter der Protagonistin Ember arbeitet als Wahrsagerin und Heiratsvermittlerin. Besonders letzteres erinnerte mich an die jiddischen Filmen aus den dreißiger Jahren, auch der Akzent. Mit dem sie sprachen. Hätten für Sie da nicht asiatische Bezüge nähergelegen? Oder wollten Sie eine Wiederholung vermeiden, weil die asiatische Kultur die Folie war, vor dem sich in dem Pixar-FIilm »Rot« die Auseinandersetzung zwischen der Teenagerprotagonistin und ihrer überfürsorglichen Mutter abspielte?

PS: Nein, das hatte damit nichts zu tun, das war vielmehr inspiriert von einer unserer Mitarbeiterinnen, die indischer Abstammung ist und sich in einen Deutschen verliebt hatte. Ihre Eltern waren gegen diese Beziehung und verlangten, nach Indien zu fahren und dort einen Astrologen aufzusuchen. Die beiden machten das und waren ziemlich nervös, bis der Astrologe feststellte, sie seien ein perfektes Match. 

Disney und Pixar sind bekannt dafür, dass die Mitarbeiter eines Films zuvor einen Field Trip machen: wohin führte der Ihrige Sie?  

DR: Unser Trip verkürzte sich durch die Pandemie, aber wir waren in Chinatown in San Francisco und Peter fuhr nach Angel Island, dem Immigrationsschwerpunkt für die Westküste. Wir recherchierten sehr früh eine ganze Menge, aber als es dann um die Erschaffung der Welt ging, lief viel über YouTube. .

Mr. Sohn, Sie waren für Pixar wiederholt auch als Sprecher von animierten Figuren tätig, u.a. bei dem Film »Lightyear«, wo Sie die Katze Sox sprachen. Die war sicherlich nicht nur meine Lieblingsfigur im Film. Ich könnte mir vorstellen, dass sie das Zeug für eine eigene Serie mit kurzen Geschichten hätte, ähnlich dem Abschleppwagen Mater aus den »Cars«-Filmen. Ist so etwas mal angedacht worden?  

PS: Nein, bis jetzt nicht. Aber diese Figur zu sprechen hat mir großen Spaß gemacht.

Die letzten Animationsfilme von Pixar (»Lightyear«) und Disney (»Strange World«) waren an den Kinokassen nicht so erfolgreich, wie sie es verdient hätten. Kommen in so einem Fall die Mitarbeiter des Studios und des Films zusammen um zu überlegen, was möglicherweise schief gelaufen ist, worauf bei künftigen Projekten zu achten ist? 

PS: Es gibt fortlaufend Gespräche, egal, welche Zahlen die Filme an den Kinokassen machen. Es geht immer darum, den bestmöglichen Film zu machen. Wenn das Publikum den dann nicht annimmt, zerreißt es einem das Herz. 

Waren Sie bei den genannten beiden Filmen Teil der Diskussion oder beschränkt sich das auf die Mitarbeiter des jeweiligen Films?

PS: Das war ich nicht; ich vermute, es sind nur die jeweiligen Mitarbeiter daran beteiligt.

DR: Aber wie Peter schon sagte, sind das Fragen, wie wir uns fortlaufend stellen – wir versuchen immer dazuzulernen, nicht nur von den Filmemachern, mit denen wir arbeiten, sondern auch von der ganzen Industrie.

Nachdem es eine Zeitlang keine Vorfilme gab, weil die Aktivitäten sich auf den neu geschaffenen Streamingdienst Disney+ konzentrierten, wie mir gesagt wurde, bekommen wir hier erstmals wieder einen zu sehen. Dürfen wir hoffen, dass das so bleibt?

PS: Das hoffe ich zumindest, verfüge aber über keine entsprechenden Informationen. Was in diesem Fall besonders schön ist, ist die Tatsache, dass mein erster eigener FIilm »Partly Cloudy« damals als Vorfilm zu »Up« lief – und hier gibt es den Vorfilm »Carl's Date« mit Figuren, die die Zuschauer aus »Up« kennen. Da schließt sich ein Kreis.

DR: Auch für mich, denn »Up« war meine erste Arbeit für Pixar, ich war damals associate producer.

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