Interview: Colin Trevorrow über »Jurassic World: Ein neues Zeitalter«

Colin Trevorrow am Set von »Jurassic World: Ein neues Zeitalter« (2022). © Universal Studios

Colin Trevorrow am Set von »Jurassic World: Ein neues Zeitalter« (2022). © Universal Studios

Mr. Trevorrow, das letzte Wort im Film lautet »co-exist«: ich vermute, das meint mehr als das Zusammenleben zwischen Menschen und geklonten Sauriern?

Da stimme ich mit Ihnen überein. Ich habe den Eindruck, im Moment begreifen wir, dass viele Entscheidungen, die in den letzten Jahrzehnten gefällt wurden, enorme Konsequenzen haben – um diese massiven Probleme lösen zu können, müssen wir zusammenarbeiten. Auch wenn dies ein Dinosaurierfilm ist, der Spaß macht und Verfolgungsjagden bietet, kann er auch etwas zum Nachdenken enthalten.

Als Sie vor Jahren den ersten »Jurassic World« Film inszenierten, war da schon klar, dass es eine Trilogie werden wird? 

Nein, denn es wusste ja noch niemand, ob er an der Kinokasse Erfolg haben würde. Er musste zunächst einmal für sich selber stehen. Aber als klar war, dass er beim Publikum ankam, sprachen wir über die nächsten beiden als eine lange Geschichte. Was mir gefiel, war die Tatsache, dass sich der von Antonio Bayona inszenierte Nachfolgefilm wie ein Teil der Geschichte anfühlte. 

Dann war nach dem Erfolg des ersten Films klar, dass es eine Trilogie sein würde?

Universal hätte bestimmt nichts gegen weitere Filme gehabt, aber für mich war das wichtig zu wissen, um einen entsprechenden Handlungsbogen entwickeln zu können. Dieser Film bot mir die Möglichkeit, die 'legacy characters', die Figuren aus dem allerersten »Jurassic Park«, wieder ins Spiel zu bringen; das machte aber für mich aber nur Sinn, wenn es sich organisch anfühlte und Sinn innerhalb der Geschichte machte. 

Fans werden sich sicherlich daran erinnern, dass der Schurke des neuen Films schon in einem der Filme der ersten Trilogie auftauchte. Was ich interessant fand, ist die Tatsache, dass Sie ganz neue Figuren haben, daneben die Protagonisten aus den zwei vorangegangenen Filmen und eben die 'legacy characters'. War das eine frühe Entscheidung? 

Es entstand mehr aus der Überlegung, die 'legacy characters' dabei zu haben. Gleichzeitig wollte ich aber auch künftigen Filmemachern noch Figuren übrig lassen. 

Wie schwierig war es, für all diese Figuren Handlungsmomente zu finden? 

Ja, das war nicht einfach, aber man sieht ja, dass dieser Film anders strukturiert ist als sonstige Blockbuster. Wir haben zwei parallele Handlungsstränge, die sich aufeinander zu bewegen, bis sie sich dann treffen. Jeder von ihnen vollzog sich in traditionellen Bahnen, das war ambitioniert, aber anders hätte ich es mir nicht vorstellen mögen, Zum einen hatten wir einen Whistleblower in einem großen Unternehmen, zum anderen die eher persönliche Geschichte einer Kindesentführung – am Ende war das eine die Lösung des anderen. Ich darf sagen, dass ich stolz darauf bin, wie wir dorthin gelangt sind.

Ich hatte den Eindruck, das ließ weniger Raum für die Gegenspieler. War das vornherein so konzipiert oder landete entsprechendes Material auf dem Fußboden im Schneideraum?

Nein, davon verschwand nichts beim Schnitt. Die Schurken spielten nie eine so große Rolle in der Filmreihe – in einem früheren Film wurde einer nach 30 Sekunden von einem Dinosaurier gefressen. Manchmal beneide ich meine Kollegen, die aus ganzen Galaxien von Comicvorlagen ihre Schurken aussuchen können.

Kann man sagen, dass das Auftreten der Dinosaurier in diesem Film das der Menschen widerspiegelt? In den beiden Vorgängern gab es ja den starken Widersacher in Gestalt des Indominus Rex, hier dagegen eine Vielzahl von Sauriern in kürzeren Auftritten...

Ja, da hatten wir den Hybrid als großen Antagonisten. Diesmal, weil die Geschichte an verschiedenen Orten spielt, ist das anders, wir erzählen eher eine Geschichte über genetische Macht, die sich in den Dinosauriern widerspiegelt. Das war ambitioniert, aber als Filmemacher hatte ich das Gefühl, wenn man mir diese Möglichkeiten bietet, sollte ich die für Ambitionen nutzen.

Bei einem Film mit Dinosauriern nimmt man automatisch an, es handele sich dabei gänzlich um digitale Effekte. Das war hier aber nicht so?

Nein, ganz und gar nicht. Ich drehe immer auf Film (und das werde ich beibehalten, bis man mir sagt, dass es nicht mehr geht), wir arbeiteten mit Animatronics und wir hatten hier 120 Drehorte, an denen wir etwas gebaut haben.  

Gab es Unterschiede, was den Dreh dieses Films anbelangt, im Vergleich zum ersten »Jurassic World«-Film?

Wir hatten ein größeres Budget zur Verfügung. Das war ja damals erst mein zweiter Film, zuvor hatte ich nur den kleinen Independentfilm »Safety Not Guaranteed« (in Deutschland auf DVD unter dem Titel »Journey of love« erschienen) inszeniert, Bryce Dallas Howard und Chris Pratt waren damals noch keine Stars – diesmal hatten wir fünf Stars, einige davon mittlerweile Ikonen. 

Die Beteiligung von Steven Spielberg war dieselbe wie damals, bei der Drehbuchentwicklung und beim Schnitt? Und hat er sich wiederum die Muster angeschaut?

Ich nehme an, dass er die Muster angeschaut hat, aber wir hatten beim Dreh keine Kommentare dazu von niemanden, also denke ich, alle waren zufrieden mit dem, was sie sahen.

Sie hatten mir damals erzählt, dass Spielberg bei der Szene, wo der Dinosaurier einen Hai verschlingt, vorschlug, sie länger zu machen, mit dem Dinosaurier ins Wasser einzutauchen. Gab es hier etwas Vergleichbares?

Nein, er hat sich hier auf die Figuren konzentriert, natürlich lagen ihm die drei aus den »Jurassic Park«-Filmen besonders am Herzen. Er verstand, was ich vorhatte und gab sein o.k. Anfangs sprachen wir übrigens darüber, aus diesem Stoff zwei Filme zu machen, aber er plädierte für einen einzigen. Das machte es für mich schwieriger, einiges entsprechend zu verknappen.

Bei dem zweiten Film aus dieser Trilogie haben Sie nicht Regie geführt, weil Sie damals einen anderen Film vorbereiteten?

Genau, den »Star Wars«-Film. Ich habe ihn aber geschrieben und produziert und Juan Antonio Bayona als Regisseur gewonnen. Ich war aber jeden Tag am Drehort, das habe ich als Privileg empfunden; ich wusste auch während des Drehs schon, dass ich beim dritten Film wieder auf dem Regiestuhl Platz nehmen würde. 

Wären Sie weniger beteiligt gewesen, wenn Sie den »Star Wars«-Film gedreht hätten?

Nur während der Postproduktion, die eigentlichen Dreharbeiten lagen vor dem »Star Wars«-Dreh. 

Ich vermute, zu den kreativen Differenzen, die dazu führten, dass Sie dann doch nicht Regie bei dem »Star Wars«-Film führten, dürfen Sie nichts sagen?

Als wir Kinder waren, war »Star Wars« eine Legende, ein Mythos – wenn man heute von 'kreativen Differenzen' bei den neuen Filmen spricht und von den ganzen Schwierigkeiten liest, droht der Mythos zu verblassen. Belassen wir es dabei.

Hat Disney Ihnen in der Zwischenzeit etwas anderes angeboten? Es war ja nicht so ein Konflikt wie der mit James Gunn, dem Regisseur der beiden Marvel-Filme »Guardians of the Galaxy«?

Nein, das war es nicht, allerdings konnten Kathleen Kennedy und ich uns nicht auf einen Film verständigen, auf den wir beide stolz gewesen wären. 

Die Zeitspanne zwischen dem zweiten und dem dritten Film ist länger als zwischen dem ersten und dem zweiten – hat das nur mit der Pandemie zu tun?

Ja – allerdings war es für die Arbeit an der Geschichte durchaus hilfreich. Wir waren die erste Produktion, die die unterbrochenen Dreharbeiten wiederaufnahm. In der Zwischenzeit konnten wir mit den Schauspielern an ihren Dialogen arbeiten, das ist mir immer wichtig, da gibt es wirklich so etwas wie eine kollektive Urheberschaft. 

Wo Sie die Schauspieler erwähnen: bei Jeff Goldblum habe ich oft den Eindruck, er sage etwas, was ihm gerade in diesem Moment eingefallen sei. Ich vermute aber, das ist nicht der Fall...

Nein, er ist einer der am besten vorbereiteten Schauspieler, die ich kenne. Während eine Szene eingerichtet wird, zieht er sich immer in eine Ecke zurück und geht seinen Text noch einmal durch. Wenn er ihn dann spricht, klingt es wirklich ganz spontan.

Sind Sie eigentlich ein Regisseur, der viele Takes dreht?

Nein, selten mehr als fünf, selten weniger als drei.

Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, wenn ich sage, dass für mich die Szene mit dem größten Suspense im Film nicht eine mit Dinosauriern war, sondern die mit dem Schwarm von Riesenheuschrecken, die zwei Kinder bedrohen. Sie erinnerte mich, obwohl sie eher knapp ausfiel, an die Begegnung der beiden Kinder mit dem Indominus Rex im ersten »Jurassic World«-Film.

Das war durchaus beabsichtigt. Heuschrecken gab es ja schon auf unserem Planeten, bevor die Dinosaurier kamen.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt