Duisburger Filmwoche

Markante Orte
»Drei Frauen« (2022)

»Drei Frauen« (2022)

Die Duisburger Filmwoche, die zweite Ausgabe unter Alexander Scholz, ging mit einer rundum ausgetauschten Auswahlkommission ins Rennen 

Zu der neuen Auswahlkommission gehören aber langjährige Vertraute des Festivals. So überrascht es nicht, dass die große Bandbreite der Filme zwischen intimer Großeltern-Studie (»Zweisamkeit«, Lilian Sassanelli, »Carte Blanche«-Nachwuchspreis), politisch-historischem Experimentalfilm (»Sonne unter Tage« von Alex Gerbaulet und Mareike Bernien, Preis der Stadt Duisburg) und brillantem Institutionen-Porträt (»Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien« von Constantin Wulff, leider kein Preis) im Filmforum am Dellplatz nicht aus dem Rahmen vorheriger Jahrgänge fiel. Eine erstaunliche Setzung der Jury allerdings, den zweiten von arte gestifteten Hauptpreis ausgerechnet an ein deutsches Bauern-Stück mit starkem Déjà-vu-Charakter zu vergeben (»Benedikt«, Regie: Katrin Memmer).

24 Filme insgesamt, dabei klingt das diesjährige Motto »Im Werden begriffen« angesichts der Weltlage fast störrisch absurd. Bei den Filmen selbst lag ein Schwerpunkt auf markanten Orten, die mal überstürzt »zum Werden gebracht« worden waren wie das modernistische Messegelände in Dakar (»Ghost Fair Trade« von Cheikh Ndiyae und Laurence Bonvin) oder das in den 1960er Jahren auf einem Binnensee erbaute Reisgroßanbaugebiet Ogata-mura, dessen Topografie Stefanie Gaus in »Japan – Big Lagoon Village« mit langen Kamerafahrten visuell vermisst, während Off-Statements von der konfliktreichen Geschichte erzählen. 

Der Name des karpatischen Dorfs Stuschyzja heißt übersetzt »Kalter Ort«, erzählt der ukrainische Regisseur Maksym Melnyk, der den ländlichen Kosmos mit kleinem Team und subjektiver Teilhabe vorstellt: Eine Forscherin auf Jagd nach Bärenkot, eine schlagfertige Bäuerin und die Postbotin sind die starken »Drei Frauen«, mit denen er den Publikumspreis errang. Am Ende wird in dem während des Kriegsbeginns postproduzierten Film die Postbotin fortgehen ins nahe Tschechien, weil das Gehalt daheim nicht mehr zum Leben reicht. Die beiden vor dem Krieg geflohenen Syrer in »I’Tikaaf« (Regie: Anna-Maria Dutoit, Raaed Al Kour) fanden im fränkischen Marktredwitz Zuflucht im privaten Einfamilienhaus eines Pfarrers, der trotz großen Einsatzes außer Obdach und Zuwendung nicht wirklich etwas tun kann gegen den Alltag aus Warten und Unsicherheit, den der kurze Film eindringlich und mit Humor begleitet. 

Ein sicherlich in Erinnerung bleibender Moment der Filmwoche war das von Festivalleiter Alexander Scholz mit einem Exkurs in die antiziganistische Geschichte der Stadt Duisburg eingeführte lebhafte Gespräch zu Peter Nestlers an der Familie des Aktivisten Romani Rose orientierten gewichtigen und vielschichtigen Geschichte des Antiziganismus in Deutschland (»Unrecht und Widerstand«), die auch den 3-Sat-Preis erhielt. Besonders stark auch eine andere diskursive Veranstaltung um einen Film, der schon vor zwei Jahren seine Uraufführung auf der Online-Ausgabe der Kurzfilmtage Oberhausen hatte und danach ins Corona-Loch geriet. Jetzt wurde Dunkelfeld mit einer Installation in der Cubus-Kunsthalle und einem Podiums-gespräch erstmals wichtige Sichtbarkeit in der Stadt und neues Leben gegeben: Die in Kooperation mit der Bürgerinitiative »Duisburg 1984« entstandene 16-minütige Arbeit thematisiert ein für die Geschichte der Stadt Duisburg essenzielles, aber verdrängtes Ereignis: den Brandanschlag auf ein von türkischen MigrantInnen bewohntes Mehrfamilienhaus 1984 und die folgenden langen Jahre nur von Abwehr zeugenden skandalösen Reaktionen der städtischen Offiziellen. Jetzt saß neben den FilmemacherInnen Patrick Lohse und Marian Mayland auch die Überlebende Aynur Satır Akça auf dem Podium, die in bewegten und bewegenden Worten von ihren Erfahrungen bis heute berichtete. Und davon, wie viel ihr selbst die entstehende Öffentlichkeit bedeutet. Für die Filmwoche ist das kooperative Projekt ein wichtiger Schritt, sich stärker in der Stadtgesellschaft zu verankern. 

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