Interview: Hafsteinn Gunnar Sigurðsson über seinen Film »Under the Tree«

Hafsteinn Gunnar Sigurðsson. © Farbfilm Verleih

Hafsteinn Gunnar Sigurðsson. © Farbfilm Verleih

Herr Sigurosson, was stand am Anfang Ihres Films über zwei Nachbarspaare, die über einen Baum streiten – eine persönliche Erfahrung?

Nein, aber die Wirklichkeit! In Island gibt es viele berühmte Streitigkeiten dieser Art. Der Film erzählt nicht eine wahre Geschichte, wurde aber von der Realität angeregt. Die isländische Landschaft ist eher kahl, es gibt nicht so viele Bäume, da ist jeder einzelne kostbar. Wer einen in seinem Garten hat, der entwickelt zwangsläufig eine emotionale Beziehung dazu. Auf der anderen Seite sind die Sommer in Island kurz, die Sonne zeigt sich nicht oft - Gartenbesitzer möchten entsprechend die knappen Sonnenmomente genießen. Viele dieser Fälle enden vor Gericht. Was mich fasziniert hat, waren die Durchschnittsbürger, die normalerweise friedlich sind, aber wenn jemand ihnen vorschreiben will, wie sie sich in ihrem eigenen Heim verhalten sollen, das ihre gemeine Seite hervorbringt.

Dabei stehen die Frauen in diesem Film den Männern nicht nach…

Das geht auf isländische Sagen zurück, in denen oft starke weibliche Figuren auftreten, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen, während die Männer das dann ausführen. Auch verfeindete Familien spielen da eine große Rolle.

Würden Sie Ihren Film einer als Komödie mit Thriller-Elementen charakterisieren oder als Thriller mit komischen Momenten?

Die Geschichte hat tragische und komische Elemente, ich habe mich entschlossen, sie wie einen Thriller zu erzählen. In Island, wo der Film ein großer Kassenerfolg war, wurde er als dramatische Komödie vermarktet, anderswo als Komödie. Es ist interessant, wie unterschiedlich Zuschauer ihn sehen, manche als Thriller, andere als schwarze Komödie – und wiederum andere eher als Drama.

Wenn es so wenige Bäume in Island gibt, war es schwer, den richtigen Drehort zu finden?

Allerdings, dabei ging es ja auch um die Häuser, die nicht zuletzt in den Innenräumen filmisch etwas hergeben sollten. Wir fanden schließlich die passenden Häuser, aber dort gab es keinen Baum. Also setzten wir eine Anzeige in die Zeitung und fragten, ob jemand einen Baum (es sollte ein Ahornbaum sein, weil der so majestätisch aussieht) hätte, den er fällen wollte. Darauf meldete sich ein Ehepaar, das tatsächlich diese Absicht hatte, weil der Baum einen Schatten über ihre ganze Veranda warf. Wir fällten diesen Baum dann und setzten ihn auf eine offene Fläche, wo wir ihn aus allen möglichen Blickwinkeln filmen konnten. Dann entfernten wir die Krone und setzten den unteren Teil an unseren Drehort, wo wir damit die Nahaufnahmen drehten – wenn wir den Baum in der Totale sehen, dann ist das digital erzeugt.

Haben Sie eine besondere Beziehung zur Landschaft, die auch schon in Ihrem Debütfilm, international bekannt als »Either Way« (2011) eine gewichtige Rolle spielte?

Ich denke, jeder Isländer wird davon beeinflusst, einfach, weil sie so anders ist. Ich war allerdings immer eher skeptisch bei der Arbeit mit Landschaft in meinen Filmen, einfach, weil sie im isländischen Kino so oft benutzt wird und oft auf billige Art. 

»Either Way« wurde zwei Jahre später als »Prince Avalanche« in den USA neu verfilmt…

Das brachte mir einige Aufmerksamkeit ein, David Gordon Green gewann bei der Berlinale ja den Regiepreis – ich denke, das ist zum Teil auch Verdienst des originalen Films.

Ihr Landsmann Baltasar Kormakur hat mittlerweile zwischen seinen Filmen in Island auch mehrfach amerikanische Produktionen gedreht. Hatten Sie auch schon entsprechende Angebote? Sie haben ja in New York die Filmschule absolviert.

Ich habe einen amerikanischen Agenten und bekomme Drehbücher, aber einen Film in Hollywood zu drehen, ist nicht mein Lebensziel. Allerdings ist die isländische Filmindustrie beschränkt; wenn man regelmäßig fürs Kino drehen will, muss man auch in englischer Sprache arbeiten können. Ich entwickle derzeit ein Drehbuch, das in London und Island spielt.

Die isländische Film Community ist überschaubar: schafft das eher ein Gefühl der Verbundenheit oder aber der Konkurrenz, weil die Fördertöpfe begrenzt sind?

Zu Beginn, in den achtziger Jahren, herrschte starke Konkurrenz, weil das Geld nur für einen oder zwei Filme jährlich reichte. Jetzt sind es 5-6 Filme, es ist mehr Geld da, die Atmosphäre ist freundschaftlich, weil wir wissen, dass der internationale Erfolg eines isländischen Films generelle Aufmerksamkeit schafft.

Der Humor im Film ist ziemlich trocken, erinnert an Aki Kaurismäki.

Ich mag seine Arbeit, so wie ich Filme über reale Menschen mit wirklichen Problemen mag.

Einige Kritiker warfen Ihnen vor, Ihre Figuren nicht zu lieben…

Wenn man seine Figuren nicht liebt, kann man keinen Film über sie machen – aber das heißt nicht, dass ich alles gutheiße, was sie tun.

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