Kritik zu Wir werden alle sterben!
Eine Reise zu Menschen, die vom nahenden Weltuntergang überzeugt sind und sich darauf vorbereiten. Mit viel Verständnis für seine Protagonisten zeigt Regisseur Benjamin Knight die Weltsicht von pragmatischen Apokalyptikern
Ein gelassener Satz des großen Michel de Montaigne steht diesem Film voran: »Ich möchte, dass der Tod mich beim Pflanzen meiner Kohlköpfe findet.« Diese Gelassenheit allerdings fehlt dem Journalisten und Regisseur des Films Benjamin Knight, denn schon in den ersten Sätzen seines poetisch-persönlichen Offtextes sagt er, dass er auch deshalb Journalist geworden sei, weil er glaube, dass alles immer schlimmer wird, und über Dinge schreibe, die heute schlechter sind als gestern.
In diese Schlucht der Befindlichkeiten hinein setzt er seinen Film, in dem ausschließlich Menschen zu Wort kommen, die den Weltuntergang nicht für ein apokalyptisches Szenario biblischer Konvenienz halten, sondern quasi stündlich damit rechnen. Menschen, die vorsorgen, Wasser und Konserven im Keller horten, um die Familie wenigstens ein paar Tage autark ernähren zu können, oder Lebensmittel vakuumverpackt an verschiedenen Stellen im Wald vergraben, weil sie wissen, dass, ist der Strom einmal ausgefallen, auch einkaufen schnell unmöglich wird. Andere haben Raketenstationen gekauft und zu einem unterirdischen Palast umgebaut oder nur gelernt, sich aus dem Mangel heraus zu ernähren und ein Haus zu bauen. Da sind die, die fest davon überzeugt sind, dass alles Leben auf der Erde in weniger als 50 Jahren vernichtet wird, und die, die glauben, dass einige wenige Menschen es schaffen werden. Nicht die in der Bibel auserwählten, sondern die, die in ihrem endlichen Leben perfekt vorbereitet sind.
So weit, so interessant. Doch fragt man sich die ganze Zeit, was der britisch-deutsche Journalist und Filmemacher Benjamin Knight eigentlich will. Nimmt er die Szene der Prepper und Untergangsspinner tatsächlich ernst und verbindet sie mit seinen eigenen Ängsten? Ist er auf der Suche nach den Katastrophen, die bereits begonnen haben und nicht mehr in der Zukunft liegen? Will er für jene Gelassenheit werben, die er mit Montaignes Satz dem Film voranstellt? Ganz klar wird das bis zum Schluss nicht. Denn er begegnet seinen Gesprächspartnern mit einem tiefen Verständnis für deren Bedenken, erzählt viel von sich und seiner Angst vor der Apokalypse und kommt an keiner Stelle über die deskriptive Ebene hinaus.
Er reiht die verschiedenen Lebensbeispiele mehr oder weniger zufällig aneinander, reist bis in die USA, wo es bekanntlich alles gibt, und landet am Schluss wieder bei einem englischen Freund, um sich sein Sterben segnen zu lassen. Denn solange wir leben, stirbt immer etwas in uns. Ironie ist etwas, das sich erst im Auge des Betrachters manifestiert. So bleibt man etwas hilflos zurück und an den skurrilen Begegnungen hängen, die man gerade gemacht hat. Von diesen Menschen liefert der Film so einige, die sich weder verhöhnt noch verraten fühlen werden und die man in ihrer eigenen Welt ernst nehmen kann. Knight bewegt sich souverän mit der Kamera, bezieht sich selbst bildlich ein, ohne aus der Rolle zu fallen, und nimmt uns mit auf dieser bildstarken Reise in die Welt derjenigen, die daraus, dass wir alle einmal sterben werden, einen Lebensinhalt gemacht haben.
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