Kritik zu Why Are We (Not) Creative?

© Rise and Shine Cinema

Hermann Vaske macht sich in der Fortsetzung seiner Kreativitätserforschung »Why are We Creative« erneut auf die Suche nach den Bedingungen für originelle Ideen und künstlerisches Schaffen

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Der deutsche Dokumentarfilmer und Produzent Hermann Vaske hat sich mehr als drei Jahrzehnte mit der Suche nach den Bedingungen der Kreativität beschäftigt. Das Prinzip des Vorgängerfilms, »Why Are We Creative«, eine Collage von Aussagen, Animationsbildern und Statements, setzt sich hier fort. Schon im ersten Teil entstand in der Überfülle der prominenten Antworten ein Strudel, der bei einem selbst endete und die Frage hinterließ: Warum bin ich eigentlich nicht kreativ? Diese Frage hat Hermann Vaske jetzt ins Allgemeine gewendet und gefragt; »Why Are We (Not) Creative?« Das Ergebnis belegt, die eine Frage kann ohne die andere nicht existieren, und so ist die Frage nach der Kreativität immer beides gleichzeitig. Warum und warum nicht. 

Vielleicht hat Vaske auch einfach noch so viel Material übriggehabt, dass er es nicht ungenutzt lassen wollte. Und das ist gar nicht schlimm, denn wir freuen uns daran, David Bowie auch nach seinem Tod noch einmal zu sehen oder Armin Müller Stahl, der heute sicher keine Interviews mehr gibt. Auch in diesem zweiten Teil geht es dann weniger darum, was einen daran hindert, kreativ zu sein, oder wie Vaske es nennt, »die Betablocker der Kreativität zu umgehen«, sondern darum zu zeigen, dass jeder Mensch kreativ ist, dass man Ideen nicht töten kann und dass wir mehr Selbstvertrauen haben sollten, wenn es um eine Form der Schöpfung geht. Und wenn es dazu zwölf Tassen Kaffee braucht, die Dawid Bowie 
jeden Tag trank, dann ist das auch gut. 

Anders als im ersten Teil, der eine beeindruckende Galerie von gleichwertig behandelten Prominenten darstellte, gibt es hier ein paar Gewährsleute. Der Schauspieler Michael Madsen, die Künstlerin Shirin Neshat, TC Boyle und vielleicht noch Marina Abramović. Mit ihnen hat Vaske lange, intensive Gespräche geführt und ist dabei zum Kern kreativer Energie vorgestoßen. Das beginnt bei einem Ort, der Freiheit mit Langeweile verbindet und Autoren wie TC Boyle zum Schreiben bringt, und endet in einem totalitären Staat wie dem Iran, der Angst vor künstlerischer Kreativität hat und deshalb versucht, mit Angst und Zensur Grenzen zu setzten. Aber, so Shirin Neshat, Angst kann blockieren, muss es aber nicht. 

Angst, Schmerz und der daraus sich entwickelnde Zorn können auch Mittel sein, kreative Wege zu finden, Einschränkungen zu überwinden. In den Ländern, in denen es keine offene Zensur gibt, sieht Hermann Nitsch, der mit seinen Blutorgien berühmt geworden ist, die Grenzen der Kreativität in der eigenen Oberflächlichkeit. Wim Wenders sieht die Institutionen als den größten Feind der Idee. »Religion«, so sagt er, »ist eine wunderbare Idee. Aber schaut, was die Kirche daraus gemacht hat.« Und so bleibt als tiefe Erkenntnis aus diesem in jeder Minute hoch unterhaltsamen und gleichzeitig profunden Film ein Satz des britischen Dandy-Künstlers Sebastian Horsley: »Sie werden dir applaudieren, wenn sie meinen, von dir zum Nachdenken gebracht worden zu sein. Wenn du sie aber wirklich zum Nachdenken zwingst, werden sie dich hassen.«

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