Kritik zu Unterwegs mit Jacqueline

© Alamode Film

Eine gefinkelte Liebeserklärung: Auf den Spuren des Fernandel-Klassikers »Ich und die Kuh« erwandert sich in diesem Filmmärchen ein algerischer Bauer mit seiner Kuh »la douce France«

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Jacqueline ist die Kuh und das Maskottchen eines algerischen Kleinbauern. Sie ist eine »tarentaise«, gehört also zu einer aus Savoyen stammenden Rinderrasse. Mehr erfährt man nicht über das geduldige Tier, das zugleich der hochsymbolische Motor der Handlung ist. Ihren Namen erhielt die Kuh angeblich vom frankoalgerischen Hauptdarsteller des Films, Fatsah Bouyahmed. Wenn bei dem zu Hause früher Mädchen anriefen und sein Vater am Telefon war, sagte dieser genervt: »Da ist schon wieder eine Jacqueline am Apparat!« Will sagen: Schon wieder eine Französin!

Fatah, der von Bouyahmed gespielte algerische Kleinbauer, ist von frankophiler Sehnsucht beseelt. Seit langem hofft er, seine schöne Kuh auf der Pariser Landwirtschaftsmesse präsentieren zu dürfen. Er ist ein zugleich sanfter und zielstrebiger Träumer; Ehefrau Naïma spricht nur Arabisch, doch seinen Töchtern bringt er Französisch bei. Naïma ist wenig erbaut, als Fatah schließlich die ersehnte Einladung bekommt. Doch das ganze Dorf legt zusammen, um ihm die Fähre zu bezahlen. Von Marseille aus geht's zu Fuß weiter. Fatahs pikareske Wanderung wird von der Presse aufgegriffen, und so steigt der Kauz via Facebook zum Helden auf.

Das ländliche Frankreich zeigt sich von seiner Schokoladenseite, und das naiv-verschmitzte Bäuerchen erobert alle Herzen. Damit auch jeder die Anspielung begreift, läuft während eines Fernsehabends bei einem verarmten Grafen der Nachkriegsklassiker »Ich und die Kuh«, der Fatah zu Tränen rührt. Trotz Streikbarrikaden und fieser Polizisten schrammt dieses »La douce France«-Panorama gerade so am Kitsch vorbei. Denn auf den zweiten Blick ist die Feelgoodkomödie nicht ganz so altmodisch-beschaulich. So wird mit dem Marseiller Schwager Hassan (Jamel Debbouze), der sich nicht traut, seine französische Frau seiner Familie vorzustellen, das Klischee eines entwurzelten »beur« und das aggressive Gegenstück zum liebenswürdigen Fatah präsentiert. In Fatahs Dorf wiederum baggern auswanderungswillige Jungs via Skype ältere Französinnen an. Aber vielleicht ist das zu politisch gedacht, obwohl die Komödie eines mehrheitlich frankoalgerischen Filmemacherteams in Frankreich auch als Gegengift zu den Novemberanschlägen interpretiert wurde.

Denn Bouyahmed, durch quirlige Sketche in Debbouzes Comedysendungen bekannt geworden, ist als unbefangener Exzentriker Fatah, den kein Wässerchen trüben kann, ziemlich unwiderstehlich. In Szenen voller Sprachwitz muss sich Fatah etwa unter viel Zureden des Grafen einen romantischen Brief für Naïma, bei der er zwischenzeitlich in Ungnade fällt, ausdenken. Denn nicht genug, dass sich der Moslem auf einem Straßenfest zu Alkohol hinreißen ließ: er wurde auch heftig von einer der »Jacquelines« geknutscht. Doch man muss diesen reinen Tor, der beim Ackern »Joe le Taxi« summt und auf der Karaoke-Bühne »I Will Survive« im arabischen Rhythmus singt, einfach mögen. Am Ende dieser vertrackten filmischen Liebeserklärung an Frankreich will Fatah so schnell wie möglich heim zu Naïma. Und Jacqueline muss mit.

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