Kritik zu Treppe aufwärts

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Die Hoffnung auf die drei Kirschen: Mia Maariel Meyer erzählt eine Geschichte von Automatenspielsucht und ihren Folgen, wie sie sich in drei Generationen einer Familie widerspiegelt

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Lebensfreude sieht anders aus. Adam (Hanno Koffler) fährt mit seinem Taxi, in dem er nie Gäste begrüßt, zu einer Spielhalle in Berlin. Dort sitzt er mit trübsinniger Miene vor einem Glücksspielgerät. Selbst ein üppiger Gewinn zaubert kein Lächeln auf sein Gesicht. Der Hintergrund: Adam, der sich mit den Algorithmen der Automaten auskennt, gewinnt nur aufgrund seines manipulativen Geschicks; er ist ein Betrüger. Regisseurin und Drehbuchautorin Mia Maariel Meyers billigt Adam mildernde Umstände zu. Sein spielsüchtiger, an Demenz erkrankter Vater Woyzeck (Christian Wolff) hat sich maßlos verschuldet. Adam begleicht peu à peu die offenen Rechnungen des erratischen Alten.

Mia Maariel Meyers Film »Treppe aufwärts«, der seine Weltpremiere bei den Hofer Filmtagen 2015 erlebte, entfaltet ein Berliner Sozialdrama: zumeist in düsteren, trostlos anmutenden Farben. Marco Brauns Kamera begleitet mit unsentimentalem Blick Adam, den Vater und Adams 16-jährigen Sohn Ben (Matti Schmidt-Schaller), die aus unterschiedlichen Gründen in einer Abwärtsspirale, wenn nicht einem Teufelskreis gefangen sind. Zentrale Figur ist Adam, dem die Kon­trolle über die eigene Existenz und das Leben des immer mal wieder aggressiv auffahrenden Vaters und des feindselig brütenden Sohnes zu entgleiten droht. Zentrale Schauplätze: Spielhallen, das kleine Familienhaus am Rande einer Plattenbausiedlung und das Lokal der fürsorglichen ukrainischen Thekenwirtin Dosie (Karolina Lodyga).

Der lakonische, ungeschönte Naturalismus des Films bewahrt vor wohlfeilem Sozialpathos und thesenhaften Deutungsmustern. Meyers Figuren erscheinen häufig wie fremdgesteuert, doch sie stehen in der Selbstverantwortung, entscheiden über die Richtung des Weges, den sie beschreiten. Hanno Koffler als Adam verkörpert einen Mann, der mit mundfaulem Fatalismus gleichsam von Baustelle zu Baustelle eilt, ohne jemals die Dinge in den Griff zu bekommen. Christian Wolff setzt tragikomische Akzente, wenn er sich zum Beispiel an vergangene Lebenshöhepunkte erinnert: »Mit 20 Pfennig Einsatz Zehntausend gewonnen! Dreimal Kirsche!« Matti Schmidt-Schaller als Ben verfolgt einen gewagten Zickzackkurs, der leicht in eine kriminelle Karriere münden könnte.

Der Erzählrhythmus lebt von einem steten Wechselspiel, der Film zeigt drei Generationen zwischen Annäherung und Abstoßung, Entspannung und Eskalation. Das Fundament des Unglücks, die Spielsucht und ihre Folgen, spiegelt sich unter anderem in der Spielhallentristesse, die Marco Brauns Kamera aufnimmt: Endstation Sehnsucht.

Mia Maariel Meyer verfolgt einen aufklärerischen Ansatz. Ihr Film transportiert ihn aber nicht über Zahlen und Fakten, sondern über eine Geschichte, über Gesichter, Stimmungen und Impulse.

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