Kritik zu Stasi FC

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In seiner Dokumentation zeichnet Arne Birkenstock nach, wie die Staatssicherheit den DDR-Fußball zur Farce werden ließ und so auch das Leben vieler talentierter Kicker zerstörte

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BFC Dynamo Berlin? Diesen Fußballverein kennen im Westen allenfalls Fachleute und Historiker. Das ist kein Wunder, denn dieser Club war auch unter DDR-Fußballfans trotz zehn Meistertiteln unbeliebt. Warum das so war, erhellen Arne Birkenstock, Daniel Gordon und Zakaria Rahmani in ihrer informativen Dokumentation.

Ihr Film »Stasi FC« rollt die Funktion von Leibesertüchtigungen hinter dem Eisernen Vorhang aus einer neuen Perspektive auf. Bekanntlich war die sozialistische Mangelwirtschaft ein dysfunktionales Gebilde. Deshalb produzierte der ostdeutsche Staat kein einziges »weltmarktfähiges Produkt«. Mit Ausnahme des Sports. »Medaillenintensive« Disziplinen wie Leichtathletik und Turnen wurden gepusht. Vor allem mit Doping.

Fußball, so zeigt die Dokumentation, gehörte nicht zu diesen Disziplinen. »Weil die Spieler ebenso unberechenbar waren wie ihre Zuschauer.« Wer im Stadion aus einer anonymen Menge heraus seinen Unmut gegenüber der Diktatur herausschrie, konnte von den Aufpassern nicht ganz so leicht identifiziert werden. Neben der subversiven Funktion der Schlachtenbummler konzen­triert der Film sich auf den BFC Dynamo, der zwischen 1979 und 1988 die Meisterschaft in Serie erzielte.

Das lag nicht allein an der sportlichen Qualität, sondern vor allem daran, dass Erich Mielke ein großer Fußballfan war. In seiner Funktion als Boss des BFC Dynamo nutzte er seine Macht als Stasichef aus, um den Verein zu kontrollieren. Eine Fülle teils urkomischer Archivaufnahmen belegen, wie absurde Schiedsrichterentscheidungen das sportliche Geschehen auf dem Rasen zur Farce werden ließen. Entsprechend wurde Fußball uninteressant, Fans kehrten dem BFC während des Spiels den Rücken zu. Die Dokumentation führt vor Augen, wie der BFC zuletzt vor fast leeren Rängen auflief.

Berührend ist der Film vor allem deswegen, weil er auch das Schicksal einzelner Spieler vor Augen führt. So flüchtete Lutz Eigendorf, seinerzeit einer der talentiertesten Kicker des BFC Dynamo, 1979 in den Westen, wo Mielkes Lieblingskicker 53 Spiele für den FC Kaiserslautern absolvierte. Dass sein mysteriöser Unfalltod 1983 von der Stasi eingefädelt wurde, gilt als wahrscheinlich. Bekannter als Eigendorf ist Falko Götz, der nach seiner Flucht bei Bayer Leverkusen zum Star wurde. Vor der Kamera erzählt er, wie er bei einem Auswärtsspiel im damaligen Jugoslawien seinen Stasiaufpasser austrickste und in den Westen floh. Weniger glorreich verlief die Geschichte von Gerd Weber, der nach gescheitertem Fluchtversuch Jahre hinter Gittern saß und noch nach seiner Freilassung unter permanenter Beobachtung durch die Stasi stand.

Ganz neu sind die dokumentierten Geschichten nicht. Über das Interesse westdeutscher Proficlubs an Ballkünstlern aus dem Arbeiter- und Bauernstaat wurde mehrfach berichtet. »Stasi FC« fügt sie zu einem dichten Mosaik, das verdeutlicht, wie die Staatssicherheit selbst anarchische Phänomene wie den Fußball für ideologische Zwecke nutzbar zu machen versuchte.

Meinung zum Thema

Kommentare

Ich habe den Film noch nicht gesehen und war im Vorfeld an einer ehrlichen Rezension interessiert. Wer aber - wie der Rezentsent Manfred Riepe - seinen Text damit beginnt, dass die DDR aufgrund ihrer Mangelwirtschaft "kein einziges weltmarktfähiges Produkt produzierte", der belegt, dass er von etwas schreibt, von dem er nicht die geringste Ahnung hat. Da ich das auch für den Rest des Textes vermuten muss, hatte sich die weitere Lektüre für mich erledigt. Die alten, vernagelten Kämpen kommen auch nach 35 Jahren deutscher Einheit nicht aus ihrer antikommunistischen Blase. Gerhard Löwenthal hätte seine Freude daran.
Ich hoffe, dass wenigstens der Film besser / differenzierter ist.

Nun ja, nach dem Trailer war ich als BFC-Fan erst einmal etwas aufgeregt, dass legte sich dann aber während der Vorführung.

Die Interview-Partner, bis auf den kanadischen und einen sächsischen, bleiben relativ sachlich, insbesondere Falko Götz (überraschend) und Dirk Schlegel.

Ansonsten gibt es viele handwerkliche Fehler, sinnlose Aussagen, z.B. 94 % (oder so ähnlich) aller Vereinsmitglieder waren bei der Stasi und am Ende komplette Verwässerung der politischen Vorgänge Ende der 80er in der DDR, so alá "der BFC war schuld am Mauerbau".

Darüber hinaus gibt es auch weiterhin keine Beweise, daß die Staatssicherheit Schiedsrichter zu Fehlentscheidungen angestiftet hat!

Es gab aber, aus meiner Sicht, etwas gravierendes, was den Film reif für die Tonne macht, denn jeder Dokumentar-Film ist nur so gut wie seine Recherche. Die Krönung schaffen die Filmemacher in der Präsentation der Hauptperson Gerd Weber:

Dieser hat sich im wahrsten Sinne des Wortes ausgeheult über die Ungerechtigkeiten des BFC, über Mielke und über seine Stasi-Haft aufgrund der ihm vorgeworfen Planung seiner Republikflucht.

Die Autoren bzw. Produzenten haben aber etwas Entscheidendes vergessen zu erwähnen: der Herr Weber war in den 70er Jahren bereits selbst für das Ministerium der Staatsicherheit als IM "Wiehland" tätig, was man z.B. sehr ausführlich im Buch von Ingolf Pleil "Mielke, Macht und Meisterschaft" nachlesen kann.

Somit war er selbst ein Teil dieses widerlichen Systems und half fleißig mit, dieses aufrecht zu erhalten!

Ich finde es eigenartig, wenn man Leute abfällig über den BFC schwaffeln läßt und als Produzent am Ende vergisst (das wäre dann sicherlich Vorsatz) oder, noch schlimmer, vielleicht noch nicht mal mitbekommen hat, dass der Interviewpartner höchstselbst für die "Mafia" gearbeitet hat.

Das Gleiche gilt natürlich auch für Stange, aber dieser hat sich zumindest in der Passage nicht über den Club abfällig geäußert.

Für mich ist dieser Film aufgrund gezeigter Aufnahmen des Fanblocks interessant, ansonsten ein wirres Konstrukt mit reißerischer Überschrift und hat sicherlich nicht das Format, um in Kinos zum Kassenschlager zu werden.

Mit weinrot-weißen Grüßen

.... spricht mir aus dem Herzen.
Der Trailer zum Film untermauert Ihren Eindruck.
Plumpe Wiederholung antikommunistischer Klischees. Auch in Bezug auf den BFC Dynamo nicht wirklich Neues und Spannendes

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