Kritik zu Beltracchi – Die Kunst der Fälschung

© Senator

2013
Original-Titel: 
Beltracchi – Die Kunst der Fälschung
Filmstart in Deutschland: 
06.03.2014
L: 
93 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Schulterlanges angegrautes Haar, Ziegenbart und ein verschmitztes Lächeln: So präsentierte sich der Althippie Wolfgang Beltracchi, der sich seinen aufwendigen ­Lebensstil samt Anwesen in Südfrankreich als gewiefter Kunstfälscher ergaunerte

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Zwischen 1970 und 2010 erfand Beltracchi 300 Werke von 80 namhaften Malern, deren Stil er täuschend echt kopierte. Mit einer Mischung aus Kunstsachverstand, Akribie und krimineller Energie hinterging er Sachverständige, Galeristen und Kunsthistoriker, denen er bislang unbekannte oder verschollene Arbeiten von Campendonk und Picasso unterjubelte.

Obwohl »seine« Bilder in Museen hingen, wurde er erst durch den Prozess im Jahr 2011 berühmt. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt, die er im offenen Vollzug absitzen darf. Der Bilderstürmer darf in TV-Talkshows auftreten, um seine Bücher zu promoten. Nach Anke Rebberts Fernsehdokumentation von 2012 gibt nun der Regisseur und Autor Arne Birkenstock in seinem Dokumentarfilm Beltracchi– Die Kunst der Fälschung kurzweilige Einblicke in die »Factory« dieses Selfmade-Popstars, der Benjamins »technische Reproduzierbarkeit« des Kunstwerks recht buchstäblich nahm.

Während er vor der Kamera ganz entspannt demonstriert, wie Fake-Art entsteht, erzählt der Sohn eines Kirchenmalers, der übrigens nie Malerei studierte, seine Lebensgeschichte und plaudert unwiderstehlich aus dem Nähkästchen. Neben diesem eulenspiegelhaften Beltracchi und seiner Frau – die nicht Muse, sondern Komplizin war – kommen Kuratoren, ein Kommissar und gefoppte Kunstsammler zu Wort, die neben ihren millionenschweren Magrittes und Warhols nichtsahnend auch einen Beltracchi in der Stube hängen hatten. Wer den Fall in der Presse nicht verfolgt hat, den führt die Dramaturgie des Films effektvoll in den immer weitere Kreise ziehenden Skandal ein. Streiflichter auf den Kunstmarkt verdeutlichen, dass Galeristen, Auktionshäuser und Sammler sich nur allzu bereitwillig austricksen ließen. Alle mauschelten und verdienten mit. Mit passender Musikuntermalung und privaten Filmaufnahmen entsteht so ein sehenswertes Mosaik. Gegen Ende werden die Motive im Zeitraffer beschleunigt – wodurch die sich verselbstständigende Rückkopplung zwischen Beltracchis Virtuosität und seiner Geldgier zum Ausdruck kommt.

Für ein dokumentarisches Projekt ist ein solcher Protagonist ein Glücksgriff. Mit seiner schrulligen Überheblichkeit, seinen skurrilen Geschichten, die man beim besten Willen nicht erfinden kann, und seinem ganz eigenen Zugang zur Kunst trägt er diesen sinnlichen Film. Entsteht vor der Kamera ein Max Ernst, so wird auf faszinierende Weise deutlich, dass der Fälscher nur einen technischen Bezug zu den Werken hat. Im Grunde ist ihm alles einerlei: »Können Sie auch einen Vermeer nachmachen?« – »Natürlich.« – »Und einen Leonardo?« – »Gar nicht schwierig.« Kunst auf diese »entauratisierte« Weise zu erleben, ist amüsant, aber auch irritierend. Beltracchis subversive Entwertung stellt indirekt die Frage nach dem Wert, im künstlerischen wie im materiellen Sinn.

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