Kritik zu Russendisko

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In der Adaption von Wladimir Kaminers zum Kultbuch gewordener Berlin-Besteller aus dem Jahr 2000 greift Regiedebütant Oliver Ziegenbalg auf das Team aus seinem großen Publikumserfolg »Friendship!« zurück

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In seinem Regiedebüt beschäftigt sich Oliver Ziegenbalg zum zweiten Mal mit einem Westtrip direkt nach dem Mauerfall. In Friendship! (2010) entließ er, als Drehbuchautor, zwei Ossis auf eine Odyssee durch die USA. Diesmal verschiebt er die Grenze weiter nach Osten. Denn in den letzten Tagen der DDR wurden jüdischen Russen eine Aufenthaltsgenehmigung und ein Zimmer in einem Wohnheim erteilt. Deshalb setzen sich die Moskauer Jungs Wladimir, Mischa und Andrej im Frühjahr 1990 in den Zug nach Ostberlin:mal schauen, was kommt.

Wladimir Kaminers 2000 veröffentlichte autobiografische Streiflichter auf die Berliner Nachwendezeit bestachen durch ihre lakonische Tonart und ihre lässig-russische Perspektive. Er beschrieb die Berliner und die aus allen Himmelsrichtungen zuströmenden Emigranten als drollige Lebenskünstler.

Mit seinem eigenen exemplarischen Aufstieg aus der Bohème zur Stütze der Gesellschaft ist Kaminer inzwischen das Aushängeschild von Berlin-Mitte. Beim Blick zurück auf die, so Kaminer, »kurze anarchische Phase in Deutschland« gelingt es Ziegenbalg, das Prickeln in der Stunde null vor der Wiedervereinigung ansatzweise in die Verfilmung hinüberzuretten. Er pickt einige Anekdoten des als unverfilmbar gegolten habenden Buches heraus und ordnet sie in eine chronologische Reihenfolge. Als roter Faden dient die hinzugedichtete Liebesgeschichte des Erzählers Wladimir mit der russischen Tänzerin Olga, die aus Karrieregründen wieder zurück nach Moskau will – eigentlich.

Ästhetisch orientiert sich Ziegenbalg eingestandenermaßen am nostalgischen Geist der Zauberhaften Welt der Amélie. Auf das Berliner Kiezbiotop übertragen, bedeutet dies pittoreske Kulissen mit verlotterten Fassaden, Blicke auf die Alternativszene mit ihrem Sperrmüllmobiliar und auf gammelige Plattenbauten. Hübsche Zeichentricksequenzen bebildern Olgas alte Heimat, die unwirtliche Insel Sachalin: Mehr Osten geht nicht.

Der von den Babelsberg-Studios gekonnt wiedererweckte »shabby chic« wird von ausgelassenen Humbatäterä-Klängen russischer Schlager untermalt. Tatsächlich hat Wladimir mit der Einrichtung einer »Russendisko« aus seinen Schallplattenbeständen eine zündende Geschäftsidee. So ist das Episodenpotpourri, in dem es zum Beispiel um Scheinheirat, vietnamesische Zigarettenschmuggler und jüdische Identität geht, zwar exzessiv harmlos, aber amüsant. Gelegentlich wirkt das launige In-den-Tag-hinein-Leben wie ein modernes Update von »Aus dem Leben eines Taugenichts«.

Leider aber hat Ziegenbalg bei der Besetzung dieser sorglosen Glücksucher auf seine Friendship!-Hauptdarsteller zurückgegriffen. Friedrich Mücke hat als Gitarre spielender Mischa zwar eine eigene Agenda, Matthias Schweighöfer aber spielt mit Hipster-Hütchen und flapsiger Sprache lediglich Matthias Schweighöfer. Weder Akzent noch Sonstiges verraten den Emigranten, von »russischer Seele«, wie es das Presseheft verspricht, keine Spur. Der blasse Hauptdarsteller vernichtet einen Gutteil des potenziellen Charmes dieser kleinen Komödie.

 

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