Kritik zu No Land's Song

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Der iranische Regisseur Ayat Najafi hat einen ergreifenden und mitreißenden Dokumentarfilm über das Ringen um den öffentlichen Auftritt einiger Sängerinnen in Teheran gedreht

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Frauen, die sich beim Kochen über Naturlyrik unterhalten, sind sympathisch, aber auch im Iran erst mal nicht revolutionär. Verschwörerinnen sind diese trotzdem. Denn das private Essen ist Konspirationsort für ein anderes durchaus Regimegrenzen sprengendes Projekt. Sara, Parvin und Sayeh wollen als Sängerinnen öffentlich vor einem gemischten Publikum auftreten. Und das ist im Iran seit der Revolution 1979 untersagt. Die Komponistin Sara Najafi und ihre Musikerkolleginnen wollen das nicht mehr hinnehmen und sich die Erlaubnis zum Konzert erstreiten. Ein kühner Plan: Zur Verstärkung laden sie drei junge Pariser Musikerinnen samt Tross nach Teheran ein, um mit ihnen Klassiker iranischer Gesangeskunst zu präsentieren. Neben den musikalischen Finessen von 6/8-Takt und Stimmführung sind dabei auch die bürokratischen Wege herausfordernd.

Durchgängiges Erzählelement ist Saras regelmäßiges – und verdeckt mitgeschnittenes – Vorsprechen beim zuständigen Teheraner Ministerium für Kultur und islamische Führung, dessen Ergebnisse durch Personalwechsel schwanken. Irgendwann kommt aus der Behörde der Vorschlag, die Männer doch einfach pro forma mit auf die Bühne zu stellen und deren Singen nur vorzutäuschen. Dann werden kurz vor dem geplanten Auftritt und den Wahlen von 2013 vom Geheimdienst die Einreisevisa der Französinnen verweigert. Und auch als die Gäste irgendwann wirklich in Teheran eingetroffen und schon beim Proben sind, gibt es noch einmal den Versuch, die Sache zu stoppen.

Interessante Einblicke in traditionelle religiöse Argumente geben offen mitgefilmte Gespräche Saras mit einem Mullah, der die Gefährlichkeit der weiblichen Stimme mit Analogien vom Verzehr von Obst und Käse erklären will. Nicht ganz klar ist, welche praktische Funktion diese Beratungen für das Projekt haben. Schön aber, wie die Montage nach einem solchen abstrusen Statement des Mullahs den Kamerablick noch eine Weile auf dem ratlosen Gesicht von Sara stehen lässt.

Geplant und realisiert ist die Koproduktion von Saras derzeit in Berlin lebendem Bruder Ayat Najafi, der 2008 mit »Football Under Cover« schon einen Berlinale-Teddy errang und seinen neuen Film auch als Hommage an frühere iranische Sängerinnen wie Delkash und vor allem Qamar anlegt. Qamar trat in den 20er Jahren mit ihren sozialkritischen Liedern als erste iranische Sängerin vor Männern auf und steht mit dem Song »Bird of Dawn« im musikalischen Zentrum des Films. Es ist kein Geheimnis, dass das Konzert letzendlich am 19. September 2013 wirklich in der prall gefüllten City Opera von Teheran stattfand und so nicht nur Saras Anstrengungen recht gab, sondern allen, die ihre Kraft für die Frauen im Iran einsetzen. Dass es dabei keinesfalls nur um die Schönheit der weiblichen Stimme ging, wie Sara gegenüber der Behörde argumentiert hatte, machen neben dem kraftvollen Auftritt der Truppe auch Texte wie »Misch dich ein, geh auf Risiko, zerstöre die Tyrannei!« deutlich. Am Ende stimmte an diesem Abend auch das Publikum unter stehenden Ovationen in den Gesang ein.

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