Kritik zu Moon

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Einmannstück mit multiplen Charakteren: In Duncan Jones' Regiedebüt spielt Sam Rockwell einen Mann auf dem Mond, der eine Begegnung der besonderen Art mit sich selbst hat

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Unter Science-Fiction-Traditionalisten gelten die 70er Jahre als das letzte gute Jahrzehnt. Mit Beginn der 80er Jahre waren dann Industrial Light & Magic und Dolby Surround das Maß aller Dinge; antiseptische Paranoia-Filme im Stile von »THX 1138« (1971) oder Mike Hodges' »The Terminal Man« (1974), esoterische Öko-Science-Fiction wie »Lautlos im Weltraum« (Silent Running, 1972) oder »Phase 4« (1974) passten mit ihren eigenwilligen Zukunftsbildern nicht mehr zum Blockbuster- Kino, in dem die Zukunft per Definition spektakulär aussehen musste. Das Genre verkam zum Austragungsort reiner Materialschlachten. Duncan Jones' Regiedebüt »Moon« nun ist eine Hommage an das Science-Fiction-Kino der 60er und 70er Jahre – mithin einer Zeit, in denen die Errungenschaften der Raumfahrt noch das amerikanische Selbstbild prägten.

Als Science-Fiction-Motiv ist der Mond inzwischen etwas aus der Mode gekommen, doch dieser Anachronismus passt gut zur Bescheidenheit dieses Films mit seinen fünf Millionen Dollar Produktionskosten. Der Weltraum steht bei Jones eher als Metapher für die Einsamkeit des Menschen; der »Outer Space« verkehrt sich zum »Inner Space« seines einzigen Protagonisten.

Sam Bell, gespielt von Sam Rockwell, ist dieser Protagonist. Bell sitzt seit drei Jahren auf einer entlegenen Mondstation und überwacht die automatisierten Minenarbeiten des Energiekonzerns Lunar Industries. Riesige Erntemaschinen, benannt nach den Büchern des Neuen Testaments, pflügen die Mondoberfläche nach dem Element Helium-3 um, das 70 Prozent der Menschheit mit sauberer Energie versorgt. Sams einziger Partner ist der Stationscomputer Gerty (gesprochen von Kevin Spacey), der nach einem Satellitenschaden den Kontakt zur Erde hält und sich nebenbei um die alltäglichen Verrichtungen (wie das Schneiden von Sams Haaren) kümmert. Gerty verfügt über etwa ein Dutzend verschiedener Gefühlszustände, die sich auf einem kleinen Monitor in Form gelber Smileys äußern. Es ist eine merkwürdige Wohngemeinschaft. Das verlebte Interieur der Mondstation erinnert dann auch mehr an einen Slacker-Haushalt: an den Maschinen kleben Notizen (ein Zettel mit »Kick me« hängt an Gertys Rückseite), in seiner Freizeit bastelt Sam an Miniaturmodellen oder sieht sich alte Videobotschaften seiner Frau und seiner Tochter an, irgendwo steht eine Tischtennisplatte rum. Jedes Detail ist in »Moon« ein sorgfältig platziertes, immer auch ironisch gebrochenes Zitat. Jones gibt den weißen, glatten Oberflächen, wie sie aus Science-Fiction-Klassikern wie »2001« vertraut sind, eine raue Patina.

Eigentlich passiert nicht viel in »Moon«, auch nicht nach einem Zwischenfall in der Mine. Bei der Reparatur einer der Erntemaschinen baut Sam einen schweren Unfall und kommt, umsorgt von Gerty, auf der Krankenstation wieder zu sich. Als er den Anordnungen seiner Arbeitgeber zum Trotz zur Unfallstelle zurückkehrt, zieht er einen zweiten Sam Bell aus dem zerstörten Cockpit und bringt ihn zurück zur Basis. Die Ankunft des Doppelgängers sorgt für Spannungen auf der Mondstation. Schauspieler Rockwell gewinnt der kritischen Situation durch seine unnachahmliche Lässigkeit einige wunderbar absurde Momente ab.

Die klassischen philosophischen Fragen des Sci-Fi-Kinos – zur Natur der menschlichen Erinnerung (»Solaris«) oder dem Willen künstlicher Intelligenz (»2001«) – bleiben in »Moon« jedoch bloß Referenz; das wird spätestens deutlich, wenn der Film auf einen konventionellen, High-Noon-ähnlichen Showdown zusteuert. Als die beiden Klone realisieren, dass ihr Leben nichts wert ist, wenden sie sich mit Gertys Hilfe gegen ihre Schöpfer. Und auch hier bedient sich Jones eines leicht ironischen Twists. Gerty handelt anders als Hal 9000 bei Kubrick, eben weil er darauf programmiert ist, Sam zu helfen.

Jones hat aus einem reichen Zitatschatz einen originellen und sympathisch unterproduzierten Science-Fiction-Film geschaffen. Der stärkste Einfluss stammt jedoch nicht aus dem Kino, sondern der eigenen Familie. Jones ist der Sohn von David Bowie, und der hat schon 1969 mit seinem Song »Space Oddity« der Einsamkeit des Raumfahrers ein melancholisches Denkmal gesetzt.

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