Kritik zu Lurker

© Universal Pictures

Ein einfacher Fan kommt durch ­Zufall in Kontakt mit einem aufstrebenden Popstar und setzt alles daran, ein Teil seines Umfelds zu bleiben

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Fans, deren Begeisterung in Besessenheit umkippt, sind schon lange fester Bestandteil der Film- und Serienlandschaft. Die Bandbreite reicht von »Alles über Eva« mit Bette Davis über die Stephen-King-Adaption »Misery« bis hin zur bösen Influencerinnen-Komödie »Ingrid Goes West« oder der Horrorserie »Swarm«. »Lurker«, das Spielfilmdebüt von Alex Russell, bewegt sich also durchaus auf altbekannten Pfaden – und ist doch anders als das Meiste in diesem Subgenre. Nicht nur, weil der bewundernd-fanatische Part hier mal nicht von einer Frau übernommen wird. Sondern auch, weil nie wirklich klar wird, ob dieser Protagonist tatsächlich ein waschechter Fan ist.

Sicher ist: Matthew (Théodore Pellerin) weiß sehr genau, wer der junge Mann ist, der den Klamottenladen in Los Angeles betritt, in dem er als Verkäufer jobbt. Oliver (Archie Madekwe) ist Popstar, noch nicht weltberühmt, aber kurz vor dem großen Durchbruch und definitiv so bekannt, dass die übrige Kundschaft in Aufregung gerät. Mit einer cleveren Song-Wahl weckt Matthew das Interesse des britischen Sängers und darf abends nach dem Konzert erst backstage und dann sogar in Olivers Haus in den Hollywood Hills abhängen.

Kritisch beäugt von dessen Entourage will Matthew dort am liebsten gar nicht mehr weg und versucht mit aller Macht, sich nützlich und beliebt zu machen, um in Olivers Gunst zu steigen. Der ist in seiner Coolness nicht immer leicht zu durchschauen. Doch als Matthew beim angedachten Videodreh mit einer spontanen Idee und dem alten Camcorder seiner Oma die Lage rettet, scheinen die beiden fast Kumpels auf Augenhöhe zu werden. Doch es dauert nicht lange, bis die Dynamik in dieser ungleichen Beziehung wieder kippt.

Russell, der auch schon für Serien wie »Beef« oder »The Bear« schrieb, verankert seine Besessenheitsgeschichte fest in der Musikbranche von L.A. und in einer Social-Media-Gegenwart, die nicht zuletzt einem jungen Publikum nur allzu vertraut vorkommen dürfte. Er erzählt dabei sehr clever und vielschichtig von Sozialneid und Aufstiegsfantasien, von Eifersucht in Freundschaften und den Verlockungen des Ruhms. Homoerotische Spannungen spielen im Verhältnis seiner Protagonisten eine eher untergeordnete Rolle, für Einsamkeit interessiert er sich dafür umso mehr.

Je weiter seine Geschichte zum Thriller eskaliert, desto mehr strapaziert die Handlung ihre Glaubwürdigkeit. Doch »Lurker« ist ohnehin – bis zum geradezu gewagten, zynismusschwangeren Finale – ein Film, der vor allem von seiner Atmosphäre lebt. Zu der tragen die stylischen Bilder von Kameramann Pat Scola ebenso bei wie die Musik von Kenneth Blume, allerdings sind es die Hauptdarsteller, die hier das eigentliche Ereignis sind. Pellerin (»Becoming Karl Lagerfeld«) und Madekwe (»Saltburn«) gehören zu den spannendsten Newcomern ihrer Generation und meistern beide sehenswerte Gratwanderungen. Der eine zwischen Naivität und Berechnung, der andere zwischen Selbstbewusstsein und unterdrückten Zweifeln.

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