Disney+: »Becoming Karl Lagerfeld«

»Becoming Karl Lagerfeld« (Miniserie, 2024). © Disney

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Karl, der Unbekannte

Gerade einmal fünf Jahre zwischen Ableben und Biopic – auch nach seinem Tod gelingt Karl Lagerfeld Rekordverdächtiges. Natürlich erstaunt es nicht, dass dem Leben des deutschen Modedesigners nun mit »Becoming Karl Lagerfeld« schneller die Ehre einer Verfilmung zuteilwird, als es etwa bei Coco Chanel, Yves Saint Laurent oder jüngst dem US-Amerikaner Halston der Fall war. Immerhin dürfte kaum jemand berühmter, ja ikonischer gewesen sein als er, nicht nur durch seine Mode und dem Namen nach, sondern nicht zuletzt durch sein Auftreten, als Person des öffentlichen Lebens.

Doch was für ein Biopic zunächst einmal klingt wie ein Segen, könnte sich natürlich auch schnell als Fluch erweisen. Denn wenn wirklich jeder den Menschen, dessen Geschichte es zu erzählen gilt, auf Anhieb vor Augen hat, ist die Fallhöhe bei der Besetzung enorm. Und so war denn auch die Skepsis groß, als bekannt wurde, dass Daniel Brühl die Lagerfeld-Rolle übernimmt. Ein Name, der an vieles denken lässt, nur nicht unbedingt an Mode, Luxus oder Glamour.

Brühl spielt nun in dem von den Französinnen Isaure Pisani-Ferry, Jennifer Have und Raphaëlle Bacqué verantworteten Sechsteiler nicht jenen elegant ergrauten Karl Lagerfeld, wie man ihn aus seinen letzten Lebensjahrzehnten vor Augen hat. Viel mehr gibt er den Designer in seinem mittleren Lebensdrittel in den 70er Jahren, nicht mehr ganz jung und längst in Paris für Chloé tätig, aber noch weit entfernt vom Ruhm, der ihn später ereilen würde.

»Becoming Karl Lagerfeld«, basierend auf Bacqués Buch »Kaiser Karl«, ist ein passender Titel, begleitet die Serie ihren Protagonisten doch (dankenswerterweise chronologisch) über rund zehn Jahre dabei, wie er zu jener überlebensgroßen Persönlichkeit wurde, die er bis zu seinem Tod blieb. Sie blickt dabei auf den beruflichen Reifeprozess Lagerfelds, seinen Ehrgeiz und seine Arbeitswut, Grabenkämpfe in der Pariser Modewelt und seinen Traum von der Haute Couture, der sich mit der Chloé-Chefin (Agnès Jaoui) nicht verwirklichen lässt. Aber auch auf die nach außen hin schon damals weitestgehend abgeschirmte Privatperson Karl, der mit seiner Mutter zusammenlebt und Nähe weder emotional noch körperlich wirklich zulassen kann. Und natürlich auf jenen Bereich, wo sich beides überlappt und Yves Saint Laurent (Arnaud Valois) zum großen Konkurrenten nicht nur als Designer, sondern auch in der Liebe zum ausschweifend-lebenslustigen Jacques de Bascher (Théodore Pellerin) wird.

Auf die langjährige Beziehung zu Letzterem legt die Serie den größten Schwerpunkt, was aus erzählerischer Sicht verständlich, aber bedauerlich für alle ist, die gehofft hatten, hier vor allem Einblicke in die kreative Arbeit und die Feinheiten des Couture-Betriebs zu bekommen. Man verschmerzt es, taugt doch die vielschichtige Liebesgeschichte allemal als bewegende Unterhaltung, zumal sie dem talentierten Kanadier Pellerin endlich mal eine größere Plattform bietet. Auch das Drumherum stimmt, von den erstklassigen Leistungen in Kostüm-, Masken- und Szenenbild bis hin zu individuellen Passagen wie Lagerfelds eindrücklicher Begegnung mit Marlene Dietrich (Sunnyi Melles).

Und Daniel Brühl? Der erweist sich schließlich als unerwarteter Glücksgriff. Zwar vergisst man optisch nie, wem man hier zuschaut, auch wenn mit Sonnenbrille, Fächer, Handschuhen und Frisur immer wieder erstaunliche Ähnlichkeiten erzielt werden. Doch darüber hinaus gelingt es ihm auf eindrucksvolle Weise, sich Lagerfeld anzunähern, von Körperhaltung und Mimik bis zu kleinen Manierismen und dem Sprachduktus, wobei auch die Dialoge meist den richtigen Ton treffen.

Was am Ende allerdings fehlt, ist eine Art Ursachenforschung. Wirklich fundierte Erkenntnisse oder Ideen dazu, was ihn an- und umtrieb, wo das komplizierte Verhältnis zu »Mutti«, die riesigen Ambitionen oder auch nur die Ess- und Intimitätsstörungen ihre Wurzeln hatten, liefert die Serie nicht. Und bleibt in gewisser Weise auch damit ihrem Titelhelden treu. 

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