Kritik zu König hört auf

© Weltkino

2022
Original-Titel: 
König hört auf
Filmstart in Deutschland: 
17.11.2022
L: 
82 Min
FSK: 
12

Dem DDR-System war er verdächtig. In der Bundesrepublik engagierte er sich gegen Neonazis und für Migranten. Jetzt ist der unangepasste Jenaer Jugendpfarrer Lothar König in Rente. Sein Sohn verabschiedet ihn mit einer schönen Doku

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Fast dreißig Jahre lang leitete Lothar König die Gemeinde in Jena als Jugendpfarrer. In den letzten sechs Monaten vor dem Ruhestand hat sein Sohn Tilman ihn mit der Kamera begleitet. Gleich zu Beginn gelingt ihm dabei eine programmatische Szene: Vom Dom, in dem die Kirchenglocken läuten, schwenkt die Kamera herab auf den Eingang zu einem Keller, der sich als Proberaum einer Punkband erweist. Zwischen diesen beiden Welten, der luftigen Höhe der Kanzel und dem geerdeten Protest Jugendlicher, hat Lothar König zeitlebens vermittelt. Und zwar auf eine unnachahmliche Art.

Diesen eigenwilligen Grenzgang zwischen dem Spirituellen und dem Politischen lotet der Film aus. Als erzählerische Klammer fungiert ein Radiointerview, in dem König von sich und seiner Mission erzählt. Als 15-Jähriger habe er aus Langeweile »Dubcek« an eine Wand geschrieben. Die Solidarisierung mit dem Initiator des Prager Frühlings führte in der DDR zu einer Hausdurchsuchung bei seinen Eltern. In den Westen ausreisen? Wollte er nicht: »Also bin ich Pfarrer geworden.«

Das Politische stand immer im Zentrum seiner Arbeit. Das lag auch daran, dass 1990, als er sein Amt in Jena antrat, die »Baseballschlägerjahre« begannen. Vor dem nationalsozialistischen Untergrund NSU hat König schon früh gewarnt. Beate Zschäpe und Uwe Mundlos, Initiatoren der gewaltbereiten Rechten, kannte er persönlich aus der Szene. Bei entsprechenden Demonstrationen fand man ihn stets in der ersten Reihe. Bereits sein stilvoll vergammeltes Auftreten mit selbst gedrehter Kippe im Mundwinkel ist ein Statement. Legt er schließlich zu seinem Abschiedsgottesdienst die schwarze Soutane an, dann sieht er mit seinem ausgefransten Rauschebart aus wie eine Figur aus einem Bibelfilm der 50er Jahre. Es sind aber weniger die staatstragenden Momente als vielmehr die kleinen Randbeobachtungen, die diesen Film ausmachen. So tritt der Mann Gottes trotz Hüftproblemen noch zum Hallenfußball an. Dabei kann dieser urwüchsige Typ auch mal fuchsteufelswild werden, wenn jemand sich nicht an die Regeln hält. Migranten, um die er sich besonders kümmert, haben keinen Sonderbonus. 

Lothar König, so zeigt der Film, ist nicht nur bodenständig und ein Fels in der Brandung. Er macht sich einen Kopf über Ethik und Gesellschaftstheorie. Adorno und Horkheimer seien »Sympathisanten für ein Reich Gottes«. Zuweilen fehlt dem Blick des Sohns auf den eigenen Vater die Distanz. Tilman verschließt aber nicht die Augen vor Ungereimtheiten. So beginnt der Film mit Zitaten aus einer Stasiakte, welche die »feindlich-negative Zielstellung« von Königs Jugendarbeit zu DDR-Zeiten moniert. Das hindert den Pfarrer indes nicht daran, zum Abschied den thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zu umarmen, einen Politiker der Linken, der mit seinem Zweifel am Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze provozierte. Diese Widersprüche bügelt der Film nicht glatt. Deswegen gelingt Tilman König ein sehenswertes Porträt eines charismatischen Ost-Hippies.

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