Kritik zu Jay Kelly

englisch © Netflix

Noah Baumbachs neuer Film erzählt mit Screwball-Comedy-Energie von einem Hollywoodstar in der Krise. Die Rolle ist George Clooney auf den Leib geschnitten – am Ende glänzt aber Adam Sandler als sein Agent

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George Clooney spielt einen Filmstar – schon in dieser Behauptung liegt eine gewisse Ironie. Denn natürlich ist George Clooney ein Filmstar, aber er spielt sich in »Jay Kelly« nicht selbst, denn das allein ergäbe noch keine besondere Geschichte. Vielmehr verkörpert er einen Filmstar »wie George Clooney«. Eine Figur also, deren Charisma und Talent viel Ähnlichkeit zu Clooney aufweist, die aber doch einige Dinge in Leben und Karriere anders entschieden hat.

Denn wo das Real-Life-Vorbild sich irgendwann klug zurückgezogen hat aus dem Celebrity Circus, konsequent sein Privatleben schützt und seine Rollen vor und als Produzent hinter der Kamera mit großer Sorgfalt auswählt, ist Jay Kelly zu Beginn von Noah Baumbachs Film ein Star, der nicht weiß, wo er steht. Bang fragt er sich, ob er seinen Zenit überschritten habe, während er beim Dreh seines jüngsten Films seine Umgebung damit nervt, immer »noch einen Take« zu fordern, um auch ja das Beste gegeben zu haben. Im wahren Leben ist ein solches »lass es uns noch mal probieren« nicht möglich. Das wird ihm schmerzlich bewusst, als er nach Drehschluss nach Hause kommt und ihm seine Tochter Daisy (Grace Edwards) klarmacht, dass sie demnächst zum Studieren ausziehen wird und davor noch mit Freunden zu einem Europatrip aufbricht. Dabei wollte er doch nun endlich Zeit mit ihr verbringen!

© Peter Mountain/Netflix

Zu der Furcht davor, ohne Tochter einsam zu sein, kommt die Sorge um die Karriere. Er sei keine 25 mehr, sagt an einer Stelle jemand über ihn. »Er ist keine 55 mehr!«, antwortet sein Agent Ron (Adam Sandler), der zugleich sein Können damit unter Beweis stellt, den Dingen immer einen eigenen Spin zu verleihen. Dann stirbt auch noch der Regisseur, der Kelly einst entdeckte und an seiner Karriere wesentlichen Anteil hat. Die Beerdigung ruft bei Kelly die unschöne Erinnerung daran wach, dass er den Mann, der sich als sein Mentor verstand, aber zuletzt wenig Erfolg hatte, schnöde abwimmelte, als er um seine, Kellys, Mithilfe beim nächsten Filmprojekt bat. Und dann begegnet er auf der Trauerfeier auch noch Timothy (Billy Crudup), einem Bekannten aus Jugendtagen, der ihm den giftigen Vorwurf macht, sein Leben geklaut zu haben.

Die Sequenz, die in der Rückschau die Geschichte zu diesem Vorwurf erzählt, ist eine der besten des Films. Darin spielen Louis Partridge den jungen Clooney/Jay und Charlie Rowe den jungen Timothy/Crudup. Sie sind beide großartig gecastet, mit gerade genug äußerer Ähnlichkeit, um plausibel zu erscheinen, aber ohne mit purer Imitation manieriert zu wirken. Besonders Partridge überzeugt, weil er dem jugendlichen Alter Ego etwas von der sozialen Geschmeidigkeit des späteren Stars verleiht, aber zugleich noch eine gewisse Ungeschliffenheit und rohen Ehrgeiz sichtbar macht.

© Peter Mountain/Netflix

Das Potenzial dieser Sequenz, etwas über den Beruf des Schauspielers zu erzählen, verpulvert Noah Baumbach (der das Drehbuch zusammen mit Emily Mortimer schrieb) im Folgenden jedoch leider. Statt vor Ort in Los Angeles zu bleiben, schickt der Film seinen Star auf einen turbulenten Europatrip und ersetzt so durch äußere Bewegung, was als Charakterdrama interessanter gewesen wäre.

Von Timothys Vorwurf endgültig in die Krise gestürzt, eilt Jay Kelly also der Tochter nach. Weil er ein Hollywoodstar ist, kommt seine ganze Entourage inklusive Agent Ron und PR-Beraterin Liz (Laura Dern) mit auf die Reise. Eine Bahnfahrt von Paris nach Italien bringt sie mit vielen »einfachen« Menschen in Konfrontation, unter denen Lars Eidinger als radfahrender Verrückter herausragt. Je turbulenter es zugeht und je mehr Europaklischees (ausfallende Klimaanlagen!) bedient werden, desto mehr verliert »Jay Kelly« an Herz. Was auch daran liegt, dass der Film sich zwar über die Eitelkeit von Hollywood lustig machen möchte, zugleich aber die Selbstverliebtheit in die Exzentrik seiner Branche nicht aufgeben kann. Adam Sandler, gerade weil er als zwischen Liebe und Genervtheit schwankender Agent völlig uneitel agiert, stiehlt dem großen Clooney am Ende die Schau.

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