Kritik zu Home sweet Home – Wo das Böse wohnt

© Constantin Film

Der deutsche Regisseur Thomas Sieben verbindet ein klassisches Horror-Setting – junge Frau, hochschwanger, allein in der Einsamkeit einer fremden Umgebung– mit den nachhallenden Schrecken deutscher Kolonialgeschichte

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Maria ist schwanger, hochschwanger. Lange kann es nicht mehr dauern, bis ihr Baby zur Welt kommt. Aus der Großstadt ist sie zu ihrem künftigen Familiendomizil gereist, einer Villa auf dem Lande, seit Generationen im Besitz der Familie ihres baldigen Ehemannes Viktor. Während der in der Stadt noch eine Präsentation halten muss, bevor er nachkommt, gehen in der Villa seltsame Dinge vor sich: Der Strom fällt wiederholt aus, unheimliche Geräusche sind zu hören, für kurze Momente taucht für den Zuschauer eine gespenstische Figur im Hintergrund auf, im Keller entdeckt Maria schließlich ein verborgenes Zimmer und darin jede Menge Devotionalien, die auf eine frühere Epoche deutscher Geschichte verweisen. 

Es sind also offenbar keine Einbildungen, die nur ihrer Fantasie entstammen. Die Lage spitzt sich zu mit Unterleibskrämpfen und einer Blutung; auch die Ankunft ihres Schwiegervaters Wilhelm, eines Arztes, ist nicht wirklich beruhigend, denn er hat seine eigenen Vorstellungen davon, was das Beste für die Mutter und das Baby sei.

Immerhin erfährt Maria von ihm Näheres über das Zimmer im Keller. Wilhelms Urgroßvater Siegfried nämlich diente Anfang des 20. Jahrhunderts als Soldat der deutschen Kolonialmacht in Afrika. Als er zurückkehrte, war er nicht mehr derselbe, das Haus ist gekennzeichnet durch einen Familienfluch.

Eine junge Frau, hochschwanger, allein in der Einsamkeit einer fremden Umgebung: Das ist eine Versuchsanordnung, aus der sich Spannung ziehen lässt. Der genre-affine Zuschauer fragt sich, ob er es mit einer Geistergeschichte zu tun hat oder ob am Ende eine rationale Erklärung stehen wird, ob etwa jemand die junge Frau in den Wahnsinn treiben will, wie man es aus Hitchcocks »Rebecca« kennt. Was ist mit dem Nachbarn, dem Maria unfreundlich mitteilt, dass er seine Bienenstöcke künftig anderswo platzieren müsse?

»Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt« gehört zu den Filmen, die in einer einzigen Einstellung gedreht wurden (oder besser: so tun, als ob) und deren Handlung sich in Echtzeit vollzieht, was mittlerweile fast zu einer Erzählkonvention des Horrorfilms geworden ist. 

Mit seiner Vorliebe für überschaubare Orte, an denen zwischen wenigen Personen Konflikte ausgetragen werden, knüpft Regisseur und Autor Thomas Sieben dabei mit seiner fünften Regiearbeit an seine früheren Werke an: Nach seinem Debüt »Distanz« (2009) folgte vier Jahre später »Staudamm« und dann mit »Kidnapping Stella« eine Adaption des britischen Thrillers »Spurlos – Die Entführung der Alice Creed«, dem mit »Prey« eine weitere Netflix-Produktion folgte. Dass »Home Sweet Home – Wo das Böse wohnt« weniger gut funktioniert wie seine ersten beiden Filme, liegt an der mangelnden Doppelbödigkeit. Im Nachspann wird eine historische Fachberatung aufgeführt, aber der Beitrag des Films zur Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte wirkt doch sehr beliebig. Schade.

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