Kritik zu Heute bin ich blond

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Bösartiger Krebs. Diesmal trifft es eine sehr hübsche Studentin. Marc Rothemund verfilmt Sophie van der Staps Bestseller

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Schon wieder ein »Diagnose: bösartiger Krebs«-Film? Ja, aber ein erstaunlich gelungener! Kein Betroffenheitstheater wird aufgeführt; es gibt keine Rührseligkeiten und auch keine prätentiöse Schicksalsphilosophie. Stattdessen: präzises Krankheitsprotokoll und befreiendes Selbstfindungsspiel mit Perücken. Es ist schade, dass Marc Rothemunds Film zu einem Zeitpunkt herauskommt, an dem das Krebsthema überstrapaziert erscheint. Man liest die Inhaltsangabe und winkt ab: Schon wieder! Eine Haltung, die dem Film bitter Unrecht tut. Was macht ihn so besonders? Zuerst die Buchvorlage: Sophie van der Staps autobiografische Schilderung ihrer Krankheitsgeschichte. Dargeboten in Tagebuchform, packend durch eine entwaffnende Ehrlichkeit. Es wird protokolliert: der Alptraum der Diagnose, der Horror der Chemotherapie, die Erschütterung der Existenz. Dann aber die besondere Wendung: der Versuch, der Krankheit die Stirn zu bieten, sich dennoch dem Leben zu öffnen. Zuerst das Todesurteil, dann die Liebeserklärung ans Leben.

Marc Rothemund trifft Geist und Tonfall des Buches in allen Nuancen. Sein Film erzählt von der 21-jährigen lebenslustigen Sophie (Lisa Tomaschewsky), die sich auf ihr Studium freut, als die Krebsdiagnose ihr Schicksal umkrempelt. Sie hat Menschen um sich, die ihr beistehen: eine liebenswerte Freundin, einfühlsame Eltern, einen besten Freund, den sie zu ihrem Geliebten macht, vor allem hat sie die Kraft, die Chemotherapie (54 Wochen!) durchzustehen.

Als ihr die Haare ausfallen, sucht sie sich eine bunte Kollektion von Perücken und begibt sich in ein Rollenspiel, das zum tiefgründigen Selbsterkundungsprozess wird. Heute kurzes, blondes Haar, das sie burschikos aussehen lässt, morgen die Pulp Fiction-Perücke, am nächsten Tag die Verwandlung in eine rothaarige Diva. Neun verschiedene Perücken und Selbststilisierungen. Sophie verkleidet sich nicht, sondern entdeckt verschiedene Seiten an sich, mehr noch: sie findet verschiedene Personen in sich, die zur Darstellung gebracht werden wollen. Sophie entfaltet sich, und darin liegt der besondere Zauber der Geschichte. Wenn sie beginnt, die Welt intensiver wahrzunehmen, wenn sie nicht darauf verzichtet, zu Partys zu gehen, zu flirten und zu feiern, dann hat das niemals etwas Frivoles.

Sophie ist nicht nur hübsch, sondern eine Modelschönheit. Sie bewegt sich in einem Ambiente, das einen gewissen Hochglanzfotochic ausstrahlt. Ihr Freund Rob ist Fotograf. Deshalb denkt man ganz zu Beginn: Diese Welt ist einfach zu schön, um sie mit einem Tumor konfrontieren zu können. Glücklicherweise entwickeln sich die Dinge anders. Sophies Schicksal wird ergreifend glaubwürdig gezeichnet, und ihre Welt pulsiert lebendig.

Marc Rothemund ist ein actor’s director, ein Komplize seiner Darsteller und vor allem seiner Darstellerinnen. Egal, ob er Komödien (Harte Jungs) oder dramatische Stoffe (Sophie Scholl) in Szene setzt. Er konturiert die Figur der Sophie mit größter Hingabe und gibt Lisa Tomaschewsky die Chance, alle Facetten ihres Könnens zur Geltung zu bringen.

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