Kritik zu Fucking Bornholm

Urlaub! Heiß ersehnt und mit Erwartungen überfrachtet. Die schönste Zeit des Jahres, die sich gern mal schnell in die schrecklichste verwandelt. Im vorliegenden Fall findet der (Alp-)Traumurlaub auf der Insel Bornholm statt, gelegen zwischen Schweden, Polen und Deutschland, doch zu Dänemark gehörig. »Fucking Bornholm«, so der Titel von Anna Kazejaks präzise beobachtetem, vielschichtigem Beziehungsdrama mit grotesk-komischen Einsprengseln, ist auch als »Perle der Ostsee« bekannt. Kameramann Jakub Stoleckis in magisches, rosiges Frühsommerlicht getauchte Bilder von Sandstrand, Kiefernwäldchen und sanftem Wellengang scheinen diesen Lobpreis zu bestätigen, gedreht wurde jedoch zur Gänze im sichtlich ebenso schönen Polen.

© Arsenal Filmverleih

Wo auch immer aber diese landschaftlichen Schönheiten sich nun realiter befinden mögen, die fiktiven Urlaubenden haben ohnehin bald keine Augen mehr für dieselben, denn sie werden eingeholt von gärenden Zweifeln und verdrängten Konflikten. Sie, das sind zwei Paare mit Kindern, die seit Jahren gemeinsam Ferien auf Bornholm machen; nur ist es diesmal nicht wie immer. Denn Dawid hat sich scheiden lassen und kommt mit seiner jüngeren neuen Freundin Nina; und Sohn Kaj, der nunmehr bei der Mutter lebt und bei dem er Boden gutzumachen hofft. Bei Maja und Hubert mit den Söhnen Eryk und Wiktor scheint hingegen alles wie gewohnt, doch wer genau hinsieht, erkennt die feinen Haarrisse ermüdender Routine. Und so findet Hubert Nina toll, der das ganze Campingplatz-Unterfangen ohnehin ein wenig zu konservativ ist, während zugleich Dawid und Maja sich an ihre alte Liebe in Studententagen erinnern. Komplexe Lage, unschwer zu erkennen.

Dann probieren die drei kleinen Jungs in der Nacht im Zelt etwas Nichtjugendfreies aus, das einer von ihnen auf dem Computer seines Vaters gesehen hat. Die Sache ist peinlich und tabubeladen und treibt Kinder wie Erwachsene an ihre Grenzen; denn freilich muss diese Angelegenheit genauestens untersucht und ausführlich beredet werden. Erkundet wird bei dieser Gelegenheit auch das mittlerweile schwer verminte Gelände zwischen ersten Entdeckungen kindlicher Sexualität und Missbrauchsvorwürfen an Schutzbefohlene wie Erziehungsberechtigte gleichermaßen. Allerdings ist der porno­inspirierte Vorfall lediglich der Anfang eines Strudels, der in immer weiter gezogenen Kreisen immer mehr Personen erfasst und sie in speziell auf sie zugeschnittene unterschiedliche Abgründe reißt.

© Arsenal Filmverleih

Urlaub als Tortur und schauspielerische Kür. Das wunderbar stimmig besetzte Ensemble nämlich nutzt die Gelegenheit zum Kammerspiel unter freiem Himmel, und insbesondere Maciej Stuhr und Agnieszka Grochowska laufen in den Rollen von Hubert und Maja zu großer Form auf. Unterstützt werden sie dabei von Jerzy Rogiewicz’ deutlich von Vivaldi inspiriertem Score, der dieser Darstellung sehr erwachsener Ratlosigkeit angesichts des Feststeckens im eigenen Leben eine opernhaft-opulente Anmutung und existenzielle Schwere verleiht.