Kritik zu Fragil

© DCM

2021
Original-Titel: 
Fragil
Filmstart in Deutschland: 
01.12.2022
V: 
L: 
100 Min
FSK: 
12

Emma Benestan, französische Regisseurin mit algerischen Wurzeln, macht in ihrer RomKom angriffslustig genderspezifische Verhaltensklischees und kulturell determinierte Erwartungshaltungen zum Thema

Bewertung: 3
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Der Heiratsantrag im Rahmen des festlich geplanten Abendessens geht gründlich schief. Nicht nur verschluckt sich die Angebetete an dem Ring, den Az in einer der Austern versteckt hat, die es zur Vorspeise gibt. Nein, anstatt »Ja« zu sagen, gibt Jess ihm dann auch noch einen Korb. Sie brauche etwas Abstand, mehr Freiraum, eine Pause. Az versteht zwar die Welt nicht mehr, zieht aber erst mal aus der gemeinsamen Wohnung aus und geht zurück nach Hause, wo Oma, Mutter und Schwester nur darauf gewartet haben, dass das Hähnchen in den Korb heimkehrt. Oder auch nicht, denn wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Solcherart ungetröstet und dementsprechend hemmungslos selbstmitleidig stürzt Az sich in seinen Liebeskummer, liegt auf dem Bett, stopft Pralinen in sich hinein, schaut »Bodyguard« und heult. Kurz: Er benimmt sich wie ein Mädchen.

Sagt wer? Geschlechterstereotypen, genderspezifische Verhaltensklischees und kulturell determinierte Erwartungshaltungen sowie die Frage danach, was ein moderner Mann eigentlich alles sein und können soll, stehen im Visier von »Fragil«, dem Langfilmdebüt der französisch-algerischen Regisseurin, Autorin und Schnittmeisterin Emma Benestan. Das liest sich schwerfälliger, als es sich anschaut; tatsächlich nimmt die in der Hafenstadt Sète an der Mittelmeerküste Südfrankreichs und im maghrebinischen Kulturraum angesiedelte Liebesgeschichte, die Benestan gemeinsam mit Nour Ben Salem geschrieben hat, die komplexen Themen mitunter auf die allzu leichte Schulter.

»Fragil« lässt seinen Jungmannhelden wie eine Flipperkugel durch die RomKom-Konventionen sausen, einen mehr oder minder hilfreich sich einmischenden Haufen Kumpels im Schlepptau sowie ein burschikoses Mädel, das nicht nur ihn, sondern auch die Verhältnisse zum Tanzen bringen wird. Und das sich, selbstverständlich erst nach Durchlaufen des üblichen Hader-und-Zeter-Parcours, als die zukünftige, einzige und wahre Liebe herausstellt. 

Damit ist nichts verraten, denn man sieht das meilenweit kommen. Einiges an und in »Fragil« – von den wenig überraschenden Wendungen über die chargenhaften Charakterisierungen bis hin zu den mitunter arg platten Dialogen – ist derart sattsam altbekannt, dass einem so manches Mal das Gähnen ankommt. Wenn sich dann allerdings Az bei seiner weiblichen Verwandtschaft darüber beschwert, dass ihm als Mann das Zeigen von Gefühlen ja wohl gefälligst auch erlaubt sein sollte (und überhaupt!), und die drei Frauen daraufhin in schallendes Gelächter ausbrechen – dann trifft Benestan doch einen frechen komödiantischen Ton und mit einem Male weht ein frischer Wind durchs ansonsten eher abgestanden inszenierte Genrestück. Und eine Liebeserklärung wie »Du bist die Frau, die ich gerne wäre« hat man wohl auch noch selten gehört. Und wird doch das Gefühl nicht los, dass das Schielen auf bestimmte Zielgruppen – beispielsweise junge Männer mit migrantischem Hintergrund – diesem Film unnötig Fußfesseln angelegt hat. Jetzt trampelt er, wo er tänzeln sollte.

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