Kritik zu Finn und die Magie der Musik

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Geige statt Fußball: Frans Weisz erzählt von einem Jungen, der nicht den Erwartungen seiner Umwelt folgen will

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Vater und neunjähriger Sohn sitzen beim Essen und reden. Der Junge sagt einen unerhörten Satz: »Ich will aufhören.« Mit dem Fußball. Der Vater, ein holländischer Zimmermann, ist schockiert. Denn Finn will nicht nur mit dem landesweit beliebten Ballspiel aufhören, er will stattdessen Geige spielen lernen.

Frans Weisz’ Film Finn beginnt mit einem archetypischen Konflikt. Dessen Fundament hat Goert Giltays Kamera zu Beginn aufgenommen. Finn hält ein Schüttelglas in der Hand, in das ein tanzendes Paar eingearbeitet ist. So kann Glück aussehen. Doch Finns Mutter ist bei seiner Geburt gestorben, ausgerechnet an Heiligabend. Der Junge, verträumt, aber zielstrebig, geht einen ganz eigenen Weg. Dabei lässt er sich von einem Raben führen, dem in Volksmärchen ja attestiert wird, er könne verirrten Wandersleuten den Weg weisen. Das Übernatürliche spielt in diesem Film eine Hauptrolle. Finn trifft in der Nähe eines verlassenen, verwunschen anmutenden Bauernhofs einen alten Mann, der Geige spielt. Die Musik trifft den Jungen mitten ins Herz: eine Epiphanie mit Folgen. Finn bewegt den knarzigen Luuk, ihm Unterricht zu geben. Dem Vater sagt er nichts.

Die niederländisch-belgische Filmproduktion kontrastiert den Zauber der Musik mit den Widrigkeiten des Alltags. Das Fußballkollektiv, dem Finn lange angehörte, reagiert böse, abweisend und ausgrenzend auf den Einzelgänger. Sogar der beste Freund Erik (Justin Emanuels) lässt Distanz erkennen. Der Konflikt des Films wird auch akustisch aufgenommen: Geigentöne hier, die kreischende Elektrosäge des Zimmermann dort.

Finn, den Mels van der Hoeven mit großer Intensität verkörpert, will Geheimnisse entschlüsseln. Die Traumata seines Vaters (Daan Schuurmans) bleiben ihm zunächst so verborgen wie die privaten Erinnerungsstücke, die der Zimmermann in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt. Und was hat es mit dem geheimnisvollen Luuk (Jan Decleir) auf sich, der dem kleinen Schüler mit Nachdruck erklärt, wie man zur Geigenkunst kommt: »Üben, üben, üben und noch mal üben.«

Frans Weisz, Jahrgang 1938, hält die Elemente seines Films, der sich aus der Wirklichkeit und dem Reservoir des Fantastischen speist, in perfekter Balance. Janneke van der Pals Drehbuch schickt den jungen Helden auf einen herausfordernden Parcours voller Bewährungsproben. Der blond gelockte Mels van der Hoeven in der Titelrolle verleiht dem Film seine Spannung und Tiefe. Sein Finn ist ein Entdecker aus Leidenschaft, mehr noch: aus Leid.

Zum Schluss hin spitzen sich die Dinge zu, der Film nimmt Tempo auf, die düstere winterliche Szenerie lässt Böses ahnen. Doch Janneke van der Pal gehört zu jenen Drehbuchautoren, die glauben, dass ein guter Film auch gut enden muss. Also klärt das Finale den Jungen und das Kinopublikum über alle Rätsel und Geheimnisse auf und fügt alle Teile des Puzzles – an Heiligabend – zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen. Das mag konventionell erscheinen, doch manchmal muss ein Happy End einfach sein.

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