Kritik zu Everybody's Fine

© Walt Disney

Es ist nie zu spät, ein guter Vater zu werden, auch nicht für Robert De Niro. Kirk Jones (»Lang lebe Ned Devine«) versucht ein Remake von Giuseppe Tornatores erfolgreichem »Stanno tutti bene« von 1990

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Jean Gabin ließ bei jedem seiner Filme vertraglich festlegen, dass es mindestens eine Szene gibt, in der er völlig ausrasten muss. Das gehörte nicht zu seinem Image, das verlangte er von seinen Rollen: dass sie die Gelegenheit zum dramatischen Exzess bieten. Hätte doch Robert De Niro bei »Everybody's Fine« auf solch einer Vertragsklausel bestanden! Man wartet immerzu auf diese Szene, in der er wenigstens einmal in Zorn ausbricht oder sich selbstanklägerisch die Haare rauft. Doch leider wartet man vergebens darauf, dass er seiner Figur des Frank Goode dramatische Wucht geben und sie aus der durchgängigen Nettigkeitsmonotonie erlösen könnte. Der britische Regisseur Kirk Jones erlegt De Niro eine Zurückhaltung auf, die mit der Zeit wie ein Rückzug des Darstellers in sich selbst erscheint.

Zu Beginn mag das noch angehen, wenn »Everybody's Fine« wie eine Art Meditation über Alterseinsamkeit aussieht. Der 66-jährige Frank Goode, seit acht Monaten Witwer, pflegt Häuschen und Garten mit penibler Hingabe. Der Rasen wird millimetergenau gemäht, jeder Topf in der Küche glatt poliert. Er besorgt einen neuen Grill im Supermarkt, denn er erwartet seine vier längst erwachsenen Kinder zu einem Familientreffen. Als alle vier im letzten Augenblick mit fadenscheinigen Ausreden absagen, entschließt er sich, sie zu besuchen. Er will sie überraschen und wird sich auf einem Trip unverhoffter Desillusionierungen wiederfinden.

Frank denkt, alle seine Kinder seien glücklich und erfolgreich: David ein berühmter Künstler in Manhattan, Amy (Kate Beckinsale) eine namhafte Werbeagentin in Chicago, Robert (Sam Rockwell) der Dirigent eines Symphonieorchesters in Denver und Rosie (Drew Barrymore) eine Toptänzerin in Las Vegas. Tatsächlich aber sind die vier nicht annähernd so glücklich und erfolgreich, wie er es sich ausmalen mochte. Ihre wahren, problemgespickten Lebensgeschichten haben die Kinder nur der Mutter erzählt. Sie war deren Vertraute. Den Vater, der sie mit seinen Perfektionsansprüchen ängstigte, speisten sie mit Halbwahrheiten und Lügen ab.

Vorhersehbare Story, vorhersehbare Gefühlsbögen von Entfremdung zu Versöhnung und ein Hauptdarsteller, der seine Vaterfigur – wie auch immer verängstigend sie den Kindern erschienen sein mag – als spannungsloses Inbild herzensguter Bemühtheit darbietet. Dass man dem Trip des Frank Goode dennoch ganz gerne folgt, liegt daran, dass Kate Beckinsale, Drew Barrymore und Sam Rockwell ihre Figuren durchweg facettenreich und lebendig zeichnen. Sie lassen erspüren, was es heißen muss, unter den Augen eines Vaters aufzuwachsen, dessen Ansprüchen man nie wirklich genügen konnte.

»Everybody's Fine« ist das Remake von Giuseppe Tornatores »Stanno tutti bene« aus dem Jahr 1990. Der Film des »Cinema Paradiso«- Regisseurs ist kein Meisterwerk, aber da glänzt Marcello Mastroianni als sizilianischer Vater, der aus seiner starrsinnigen Verschlossenheit hervorgeholt und in einen Prozess schmerzhafter Selbsterkenntnis verwickelt wird. Ein Vaterdrama, von dem bei Kirk Jones nur ein blasses Abziehbild übrig bleibt.

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