Kritik zu Eine private Angelegenheit

© Kairos Filmverleih

Die letzte Zusammenarbeit der Brüder Paolo und Vittorio Taviani ist ein Partisanenfilm ohne Folklore, aber mit Romantik

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Im letzten Herbst des Krieges ist er im Großen und Ganzen entschieden. Natürlich werden die Kampfhandlungen fortgesetzt: Die Resistenza und die Schwarzhemden liefern sich erbitterte Gefechte auf den Hügeln der Langhe. Aber die Verhältnisse haben sich eingespielt. Siege und Niederlagen sind flüchtig, man tauscht die Gefangenen miteinander aus, damit es weitergeht. Auch der Nebel, der schwer über der Landschaft hängt, entscheidet nichts: Er kann Verhängnis sein, aber auch Schutz bieten.

Längst herrscht eine tiefe Vertrautheit mit dem Schicksal, selbst zwischen Todgeweihten und ihren Henkern besteht ein Einverständnis. Der junge Partisan Milton (Luca Marinelli) entdeckt auf seiner Patrouille, als der Nebel sich einmal kurz lichtet, die Villa wieder, in der er einst arglosere Tage verbrachte. Judy Garlands »Somewehere over the Rainbow« kommt ihm in den Sinn und weckt Erinnerungen. Hier war er schüchtern in Fulvia (Valentina Bellè) verliebt, die seine Briefe und Englischkenntnisse schätzte (seinen wahren Vornamen erfahren wir nicht, seine Lehrerin taufte ihn »Milton«), bei der sein bester Freund Giorgio (Lorenzo Richelmy) aber vielleicht größere Chancen hatte. Die unzertrennlichen drei hörten und tanzten zu amerikanischem Swing, schon dies ein kleiner Widerstand gegen Mussolinis Regime. Fulvia ist vor dem Krieg ans Meer geflohen, Giorgio gehört jetzt einer anderen Brigade der Partisanen an. Als Milton erfährt, dass er gefangen genommen wurde, setzt er alles daran, einen Feind zum Austausch zu fassen. Ob aus Eifersucht oder aus Kameradschaft, lassen Film und Hauptdarsteller offen.

»Eine private Angelegenheit« beruht auf dem Roman von Beppe Fenoglio, einem wichtigen, aber wenig übersetzten Chronisten des Widerstands. Es ist, nach 63 Jahren einträchtigen Regieführens, der letzte gemeinsame Film der Brüder Taviani. Vittorio schrieb noch mit Paolo am Buch, starb aber vor Beginn der Dreharbeiten. Er ist ein schönes Vermächtnis geworden; er knüpft an ihre Anfänge an. Die Resistenza war die ethische Grundlage der prägenden Ästhetik des italienischen Nachkriegskinos, des Neorealismus, den die Brüder fortführten und überwanden. Der Film scheint aus einer anderen Kinoepoche hinüberzuwehen, wirkt aber nicht entrückt. Paolo hat ihn so gedreht, wie er und Vittorio es immer taten: mit Darstellern, deren Spiel einfach und ergriffen ist; mit Bildkompositionen, die gern eine Symmetrie in der Weltordnung entdecken würden, sich aber deren Ungleichgewicht nicht verschließen; schließlich mit Momenten von immensem Pathos, die Poesie finden im Alltag. Die Szene mit dem kleinen Bauernmädchen, das inmitten ihrer ermordeten Familie aufwacht, aus dem Brunnen Wasser trinkt und sich wieder zurück neben die tote Mutter legt, wird man schwerlich vergessen. Miltons Odyssee durch die Kriegslandschaft ist als Parcours durch Fieberwahn und Wachsamkeit angelegt. Die Inszenierung hingegen verliert ihren Realitätssinn nie, trotzt dem Schrecken aber einen Hauch romantischer Zuversicht ab. »Es wäre interessant,« sagt einmal ein Kamerad zum verzagten Milton, »danach am Leben zu sein.«

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