Kritik zu Ein Traum von Revolution

© Drop-Out Cinema

2024
Original-Titel: 
Ein Traum von Revolution
Filmstart in Deutschland: 
11.04.2024
L: 
95 Min
FSK: 
12
Bewertung: 4
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1979 schien der Traum vom Sozialismus in Nicaragua Wirklichkeit zu werden, als nach 45 Jahren Gewaltherrschaft der Diktator Somoza vertrieben wurde und basisdemokratische Strukturen errichtet wurden. Eine »Revolution der Jugend und der Dichter«, wie die Schriftstellerin Gioconda Belli sagt, die ein weltweites Echo fand, auch im Kino: Oliver Stones »Nicaragua«, Haskell Wexlers »Latino«, in der Bundesrepublik Peter Lilienthals »Der Aufstand«. 630 Städtepartnerschaften allein in Westdeutschland zeugten davon, dass es eine breite Unterstützung gab. Viele junge Menschen engagierten sich nicht nur in Solidaritätskomitees, sondern gingen selber nach Nicaragua um vor Ort Hilfe zu leisten, bei der Ernte oder aber beim Bau von Schulen. Eine von diesen 15.000 war Petra Hoffmann, die mehrmals dorthin fuhr und jetzt diesen Film gemacht hat. 

Damals war 'die kleine Republik' »Projektionsfläche unserer Träume«, wie sie sagt. Wie konnte es soweit kommen, dass der damalige Revolutionsführer Daniel Ortega heute zu einem autokratischen Herrscher geworden ist, der seine einstigen Weggefährten ins Gefängnis sperren lässt? Derzeit macht das Land Schlagzeilen, weil es Deutschland wegen der Unterstützung Israels vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt hat – ein eher durchsichtiges Manöver, wenn man vorrangig Unterstützung aus Moskau bezieht.

Der Film sucht eine Antwort auf seine Frage in der Entwicklung Nicaraguas in den 45 Jahren seit der sandinistischen Revolution. Zu Wort kommen damalige Freiwillige aus Deutschland, einstige Weggefährten der Revolution wie die Journalistin Sofia Montenegro, die wie viele andere heute im Exil in Costa Rica lebt, oder die Dichterin Dora Maria Téllez, die 600 Tage in Einzel- & Dunkelhaft verbrachte, bevor sie 2023 mit vielen anderen politischen Häftlingen in die USA abgeschoben wurde. 

Der Mut all dieser Menschen ist bewundernswert, denn auch wenn die sandinistische Revolution eine humanistische war, wie Gioconda Belli sagt; war der Gegenangriff der Contras, die von der CIA und US-Präsident Reagan massiv unterstützt wurden, doch äußerst brutal, nicht wenige deutsche Freiwillige verloren dabei ihr Leben, auch die Bevölkerung wurde zunehmend zermürbt, 50.000 Nicaraguaner hatten in den elf Jahren ihr Leben verloren, so dass bei den Wahlen 1990 die Entscheidung gegen die Sandinisten fiel. Die neue Präsidentin Violetta Chamorra machte viele der sandinistischen Reformen rückgängig, enteignete Großgrundbesitzer kehrten aus Miami zurück, die Kooperativen wurden zerschlagen, Armut und Kinderprostitution nahmen zu. Nur eine geringe Besserung zeigte sich, nachdem 2006 Ortega die Wahlen gewann. Mithilfe eines Abkommens mit Venezuela, dessen Ölvorkommen eine finanzielle Unterstützung ermöglichte, konnte er die soziale Lage im Land verbessern, aber der sinkende Rohölpreis sorgte 2015 für einen empfindlichen Einschnitt, Massenproteste gegen die soziale Verschlechterung ließ Ortega jetzt durch das Militär niederknüppeln, gezielter Einsatz von Schusswaffen traf auch Kinder, eindringlich der Bericht einer jungen Frau in Costa Rica, die als Mädchen vom Militär entführt wurde, als sie sich weigerte, die staatliche Propaganda zu verbreiten, während ihre Mutter berichtet, wie dieselben Militärs ihren siebenjährigen Sohn mit einer Waffe bedrohten. In Costa Rica erinnert eine jährliche Demonstration im April an die Toten des Jahres 2003, das Lied am Ende des Films vermittelt Hoffnung, aber die Bilanz bleibt bitter – was in keinem Fall gegen das damalige Engagement der Freiwilligen spricht, auch wenn Gerhard Löwenthal die in seinem »ZDFmagazin« als »missbrauchte Idealisten« charakterisierte.

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