Kritik zu Der Salzpfad

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Basierend auf einer wahren ­Geschichte und dem internationalen Bestseller, schildert Marianne Elliott mit Gillian Anderson und Jason Isaacs in den Hauptrollen den Weg eines Ehepaars, das, obdachlos geworden, sich auf ­Wanderschaft begibt

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Moth (Jason Isaacs) und Ray (Gillian Anderson) stehen vor dem Ruin. Die Ursache wird nur angedeutet, aber das Mittfünfziger-Ehepaar hat die Farm verloren, auf der sie gearbeitet und gelebt haben. Zudem erhält Moth eine niederschmetternde Diagnose: Er leidet an einer unheilbaren Nervenerkrankung, an der er sterben wird. Da er aber nicht akut vom Tod bedroht ist, hat das Paar keinen Anspruch auf eine Notunterkunft.

Sie beschließen, erst einmal nirgendwo zu wohnen, und machen sich auf den Weg: Sie wollen den »Salzpfad« wandern, den Southwest Coast Path, ein über 1000 Kilometer langer Trail entlang der Südwestküste Großbritanniens, von Somerset über Devon und Cornwall nach Dorset. Die Wanderung soll ihnen Zeit verschaffen, einen Plan zu entwickeln, wie es weitergehen könnte. Anfangs ist jeder Kilometer ein Kampf, Moths Krankheit macht sich bemerkbar, aber bald findet das Paar – und auch der Film – seinen Rhythmus. In ruhigem Erzähltempo fängt die Kamera die raue Natur an der Küste ein, nahezu frei von Rosamunde-Pilcher-Kitsch. Es gibt sie zwar, die perfekten pink-blau-goldenen Sonnenuntergänge am Strand, aber auch die diesigen, scheinbar endlosen Regentage, die matschigen Pfade, den erbarmungslosen Wind und die pieksigen Schwarzdornbüsche.

Wanderfilme, nichts anderes als Roadmovies zu Fuß, handeln oft von Menschen, die ihren Halt verlieren und wieder Boden unter den Füßen suchen. Wenn der Druck zu groß wird, wird der Mensch zum Fluchttier. Was als Weglaufen aus dem krisenhaften Alltag beginnt, verwandelt sich während der entbehrungsreichen Wanderung in Katharsis. Die Umstände reduzieren den Menschen auf die Erfüllung essenzieller Bedürfnisse, selbst wenn es sich nicht um einen Survival-Trip handelt. Das Laufen kann einem niemand abnehmen. Dennoch ist bei kaum einer Tätigkeit der wortwörtliche Fortschritt so unmittelbar erfahrbar. Gleichzeitig entschleunigt die körperliche Beschränkung das Leben. Das ist ein filmisch dankbares Sujet, da sich Bewegung, Schauplatzwechsel und Begegnungen von selbst ergeben.

Anders als die Protagonisten in Filmen wie »Wild« (2012) mit Reese Witherspoon oder den zahlreichen Jakobswegvariationen, wollen Moth und Ray nicht nur laufen, sie müssen. Neben dem Geld, das ihnen ausgeht – pro Woche stehen ihnen nur wenige Pfund zur Verfügung – drängt auch die Zeit, da Moths Krankheit sie jederzeit zum Anhalten zwingen könnte.

Sie kämpfen immer wieder gegen das Gefühl der gesellschaftlichen Wertlosigkeit an, das ihnen entgegengebracht wird, sobald sie an den Rand der Bedürftigkeit geraten. Manchmal erfahren sie zwar unerwartete Hilfsbereitschaft, manchmal schlägt ihnen aber auch Ablehnung entgegen. Die soziale Kälte kriecht ebenso gnadenlos in die klammen Schlafsäcke wie der Küstennebel. Zerzaust und zäh schleppen sie sich über die grünen Hügel und schöpfen vor allem aus ihrem Zusammensein die Kraft, weiterzumachen. Im Kern ist »Der Salzpfad« eine leise, aber umso eindringlichere Liebesgeschichte, die vor allem in zärtlichen Gesten erzählt wird wie dem Teebeutel, den sie beide (aus Kostengründen) regelmäßig miteinander teilen.

»Der Salzpfad«, der auf dem biografischen Bestseller von Raynor Winn basiert, verzichtet auf große Tragik oder dramatische Höhepunkte und vertraut auf die Wirkung seiner (wahren) Geschichte. Dem Zuschauer wachsen beide Wanderer schnell ans Herz, was dem nahbaren Spiel von Gillian Anderson und Jason Isaacs zu verdanken ist. Ihre Rettung liegt letztlich nicht im Ankämpfen gegen Umstände und Witterung, sondern in der Akzeptanz von beidem. Am Ende sind sie von den Elementen getauft, »gesalzen«, wie es ihnen eine ominöse Passantin bescheinigt. Ein Haus sei nur eine Unterkunft, sagt Moth, und die brauche man. Aber wahre Freiheit habe er erst auf dem Weg gefunden. Und was macht man, wenn man am Ende eines Pfades angelangt ist? Man geht einen anderen Weg.

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