Kritik zu Der Klang des Herzens

© Tobis

Kirsten Sheridans Melodram entdeckt die Musik im Alltag

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Douglas Sirk meets Oliver Twist, Märchen trifft auf Melodram: Kirsten Sheridan, Tochter von Jim Sheridan und Co-Autorin seines Films In America, vermischt in ihrem zweiten Spielfilm nach Disco Pigs unbekümmert die Genres und erzählt, ganz altmodisch, eine Geschichte über das Wunder der Liebe und die Macht der Musik. Dabei huldigt sie furchtlos, vielleicht auch ein wenig naiv, einem zutiefst romantischen Gedanken: Die Liebenden sind miteinander wie mit einem unsichtbaren Band verbunden. Körperliche Trennung, räumliche Distanz und die Unmöglichkeit, miteinander zu sprechen, spielen darum keine Rolle. Fast fühlt man sich an Frank Borzage, diesen Meister des Hollywood-Melodrams, und seine Filme History is made at Night und Seventh Heaven erinnert, in denen die Paare auch erst nach vielen Umwegen zueinanderfinden und die Liebe über das Böse triumphiert.

Zu den schönen Ideen des Film gehört es, dass überall Musik zu entdecken ist. Evan (Freddie Highmore), ein elfjähriger Waisenjunge, hört sie im Vorbeirauschen der U-Bahn, dem Rattern der Autos, dem Aufschlagen des Basketballs. Kurzum: in den Geräuschen des Alltags. Alles ist Musik, kann zu Musik werden. Nach langen Jahren im Waisenhaus findet Evan sich plötzlich auf der Straße wieder, am Washington Square in Manhattan. Mit seinem virtuosen Gitarrenspiel erregt er die Aufmerksamkeit von Wizard (Robin Williams), einemhinterlistigen Ganoven, der – ähnlich wie Fagin aus „Oliver Twist“ – eine Gang von Jungen auf der Straße für sich arbeiten und musizieren lässt. Wizard verpasst Evan einen anderen Namen, August Rush (so auch der Originaltitel des Films), und will mit ihm das große Geld machen. Währenddessen hat der Zuschauer in Rückblenden Evans Eltern kennengelernt: Lyla (Keri Russell), eine Konzert-Cellistin, und Louis (Jonathan Rhys Meyers), einen Rockmusiker. Eine Nacht haben sie nur miteinander verbracht. Bis eine Intrige von Lylas ehrgeizigem Vater sie trennte. Doch Evan will endlich seine Eltern kennenlernen. Er weiß auch, wie er sie wieder zusammenbringt.

Das ist natürlich alles viel zu schön, um wahr zu sein. Sheridan verweigert sich jeglicher Realitätsnähe und steuert mit einer Prise Kitsch und einem Schuss Pathos dem Happy End entgegen. Doch hat man erst einmal die fantastischen Schicksalswendungen des Drehbuchs akzeptiert, funktioniert der Film erstaunlich gut. Die Regisseurin spielt zwar mit den Gefühlen des Zuschauers und bedient seine Sehnsucht nach heiler Welt und wahrer Liebe. Trotzdem gelingt ihr der Drahtseilakt, die Geschichte nie ins Rührselige abgleiten zu lassen. Zur Märchenhaftigkeit des Films trägt auch die Zeichnung von New York als lichtdurchfluteter, lebensbejahender und kontaktfreudiger Stadt bei. Fast scheint es, als habe es den 11. September 2001 nie gegeben, als existierten Terrorismus und Kriminalität gar nicht. Hier steht einzig und allein die Musik im Vordergrund. Egal ob Klassik oder Pop, Gospel oder Rock – die Musik bestimmt das Schicksal der Menschen und führt sie zusammen. Auch das ein zutiefst romantischer Gedanke.

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