Kritik zu Das Glaszimmer

© Farbfilm Verleih

Verführt durch das Gift der Nazis und den Wunsch nach Zugehörigkeit wird der elfjährige Felix zum Mitläufer, bis er seine eigenen Werte wiederentdeckt. Atmosphärisch dicht und großartig gespielt von den Jungdarstellern

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Ein Verräter, Feigling oder Außenseiter zu sein, ist für viele Kinder unerträglich. Es sind große Worte, die mit Macht und dem eigenen Platz in einer Gemeinschaft zu tun haben. Wenn sich dann in Krisenzeiten, im Krieg Loyalitäten verschieben, Fragen von Recht und Unrecht die eigene Integrität ins Wanken bringen, können diese Begriffe zur individuellen wie allgemeinen Bedrohung werden. In »Das Glaszimmer« gerät der elfjährige Felix (Xari Wimbauer) in ein solches persönliches Dilemma.

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs flüchtet Anna (Lisa Wagner) mit ihrem Sohn Felix aus ihrem liberalen Leben in München in die niederbayerische Heimat. Ihr ehemaliger Schulkamerad Feik (Philipp Hochmair) hält als unerbittlicher Ortsgruppenleiter das kleine Dorf auf Linie. Sein Sohn Karri (Luis Vorbach) tut es ihm als strammer Hitlerjunge nach. Mit verstörender Gemeinheit tyrannisiert er Felix als blöden Stadtjungen, den kleinen Siebenbürger Tofan (David Benkovitch) als »Scheiß-Flüchtling«, Marthas (Hannah Hagg) Vater verachtet er, weil der sich erhängte, um nicht zurück in den Krieg zu müssen. Um dazuzugehören, schließt sich Felix der Hitlerjugend an, eifert Karri in seinem grausamen Fanatismus nach. Doch dann kommen ihm Zweifel, auch weil sein Vater (Hans Löw) sich als Deserteur im Dorf zu verstecken versucht. Zuflucht finden beide in einem Zimmer voll von der Decke hängender, funkelnder bunter Glasscherben. 

Mit großem Einfühlungsvermögen und konsequent aus der Sicht des elfjährigen Felix erzählt Regisseur Christian Lerch mit seinem Co-Autor Josef Einwanger, dessen autobiografischer Roman »Das Glaszimmer und ein Brief an den Führer« die Vorlage lieferte, von inneren Konflikten. In dem bayerischen Mikrokosmos ist der Krieg immer präsent, auch wenn die ganz große weltpolitische Einordnung fehlt. Es geht um Verführung, Mitläufertum und ein falsches Bild von Männlichkeit – Themen, die Kinder und Jugendliche, wenn auch in einem völlig anderen Kontext, noch heute beschäftigen.

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