Kritik zu Bright Star – Meine Liebe. Ewig.

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Sie haben sich geliebt, der Dichter John Keats und die Schneiderin Fanny Brawne, ohne Aussicht auf ein Happy End. Jane Campion verwandelt den traurigen Stoff in eine Hymne auf die Textur der Gefühle

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Knapp zwei Jahre, von 1818 bis 1820, währte die Spanne, in welcher der englische Dichter John Keats seine Zuneigung zu der Schneiderin Fanny Brawne mit Briefen und Gedichten in euphorische Zeilen fasste. Über eine inoffizielle Verlobung kam das Paar nicht hinaus. Der Poet erkrankte an Tuberkulose und suchte auf Anraten von Freunden sein Heil in wärmeren Gefilden. Kurze Zeit nach seiner Ankunft in Italien starb er. Die amouröse Episode in seinen letzten Lebensjahren wäre klassischer Nährboden für eine biografische Annäherung, die sich historischer Rekonstruktion verschreibt und den dahinsiechenden 20-Jährigen selbstredend in deren Mittelpunkt stellt. Jedoch nahm sich die Regisseurin Jane Campion dieses Materials an. Die Neuseeländerin hatte in den frühen neunziger Jahren mit ihren um Ausdruck und Autarkie ringenden weiblichen Figuren in »Ein Engel an meiner Tafel« und »Das Piano« eine »Ahnengalerie des Weiblichen« eröffnet, wie es die Autorin Christiane Peitz passend formulierte. So durfte man gespannt sein, worauf es der Chronistin weiblicher Lebensläufe bei der Mesalliance einer unterschätzten Kunsthandwerkerin und eines heute hochgelobten Künstlers ankommen würde.

Der Vorspann gibt die Marschrichtung vor – oder sollte man es angesichts der ätherischen Dicht- und Stoffkunst als beschwingtes Gleiten beschreiben? Eine Nadel fährt durch zartes Gewebe, eine Feder schwingt über blankes Papier. »Bright Star« (Leuchtender Stern) trägt im Filmtitel die erste Zeile eines Sonetts, das John Keats seiner Verlobten Fanny widmete. Konsequent poetisch im narrativen Fluss webt der Film die knospende Liebe der beiden um den privaten Knotenpunkt der Adressatin dieses Gedichts. Fanny lernt den scheuen Dichter und seinen hemdsärmligen Kollegen Brown im Haus von Freunden im damals ländlichen Londoner Bezirk Hampstead kennen. Brown und Fanny sind sich spinnefeind; er hält die mit auffälligen selbst genähten Kleidern und Hüten auftretende 17-Jährige für ein kokettes Ding. Sie findet den bärbeißigen Mann arrogant, der wie ein Zerberus über seinen Freund wacht. Zudem wertet er fortwährend ihre Schneiderkunst ab. Fanny ist selbstbewusst genug, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass sie aus dem einfachen Stoff – im Gegensatz zur hochwertigen Lyrik – Gold spinnen könnte (»Ich kann damit Geld verdienen«). Obwohl Brown Gift und Galle gegen die Mamsell spuckt, lernen sich Fanny und Keats besser kennen. Dessen ruhiges Wesen, seine Umsicht dem eigenen Bruder und ihrer Familie gegenüber, nehmen Fanny für ihn ein. Sie schiebt sich beharrlich zwischen die Männer. Keats bildet die flüchtige Projektionsfläche, auf der die junge Frau im fortgeschrittenen Heiratsalter ihre Sehnsüchte stickt. Er streichelt liebevoll ihre Katze, schaut mit großen Augen zu Fanny empor und küsst sie eines Tages voller Unschuld auf der Wiese.

Der Brite Ben Whishaw (»Das Parfüm«) und die Australierin Abbie Cornish (»Somersault«) verkörpern das Paar, das sich zwar keusch, aber mit Haut und Haar der ersten Liebe hingibt. Fannys verständnisvolle Mutter – gespielt von Kerry Fox – weist ihre Tochter darauf hin, dass die Beziehung keine Zukunft habe. »Er hat kein Einkommen«, sagt sie. »Du brachtest mir bei, zu lieben, erwähntest aber nicht, dass sich das nur auf die Reichen bezogen hat«, entgegnet die Tochter. Hier weht der Hauch eines Leit- und Zeitmotivs von Jane Austen durch die düsteren Räume. Er ist aber ebenso schnell verflogen.

Ökonomische Zwänge interessieren Campion in dem durchkomponierten Chiaroscuro nur als kontraststarker Rahmen für die paradiesischen Landschaftsbilder. Hier wird die Emotion freigesetzt, die Fanny und Keats gefühlvoll durch ihre Liaison trägt. Allenthalben wird dieser Film als das Meisterwerk Jane Campions gelobt, nach ihren von der Kritik zurückhaltend aufgenommenen Ausflügen ins Genre der Literaturadaption (»Bildnis einer Dame«) und des Thrillers (»In the Cut«). Dabei übersieht man, dass ihre Filme insgesamt einen Kanon reflektierter Grenzgänger abbilden, die auf sich selbst zurückgeworfen und mit der Dichotomie ihres Begehrens konfrontiert werden. Illusionsfreier und zugleich schwärmerischer kann man die Rolle der Frau in der Moderne nicht kommentieren: sehnsüchtig. Allein.

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