Kritik zu Bessere Zeiten

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Die schwedische Schauspielerin Pernilla August (Eine vernünftige Lösung) verfilmt in ihrem Regiedebüt einen Roman über eine schwierige Kindheit mit alkoholkranken Eltern

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Von dem Titel sollte man sich nicht einlullen lassen: die besseren Zeiten, ein Familienidyll am frühen Morgen, sind in wenigen Minuten passé: Während Leena (Noomi Rapace) und Johan (Ola Rapace) mit ihren Töchtern ausgelassen im Bett das Fest der Heiligen Lucia feiern, der Schutzpatronin des Lichts, klingelt das Telefon in der Wohnung. Eine Frauenstimme verlangt nach Leena. Am Apparat ist ihre Mutter Aili (Outi Mäenpää), deren Existenz Leena vor der Familie verleugnet hatte und die nun offenbar von den Toten auferstanden ist, wie Johann später auf der gemeinsamen Autofahrt in die Heimatstadt Leenas scherzhaft anmerken wird. Die Mutter liegt dort im Krankenhaus und will ihre Tochter noch einmal sehen.

Das Spielfilmdebüt der Schwedin Pernilla August, die als Schauspielerin aus Filmen von Lasse Hallström, Ingmar Bergman und Bille August bekannt ist, führt ihre Protagonistin auf zwei Erzählebenen dorthin, wo es schmerzt: Leena erinnert sich an ihre schwierige Kindheit mit alkoholkranken Eltern. Sie waren in den 70er Jahren von Finnland nach Schweden emigriert, kamen aber im neuen Leben nie richtig an. Die Mutter arbeitete als Putzfrau in Privathaushalten, der Vater war vorwiegend arbeitslos. Die kleine Leena beobachtet mit zunehmender Verzweiflung den unberechenbaren Zustand der Eltern: Nüchtern kümmern sie sich um ihr Heim und das Wohlergehen ihrer Kinder; wenn sie getrunken haben, kommt es zwischen ihnen zu Streit und Gewaltausbrüchen. Notgedrungen übernimmt die Tochter die Verantwortung für ihren kleinen Bruder Sakari, der sich von seiner Umgebung abkapselt. Sie macht Frühstück, säubert die Wohnung, wenn ihre Eltern zu heftig gefeiert haben, sturzbetrunken herumtorkeln oder nicht aus dem Bett kommen. Fürs eigene Überleben sucht sie sich Oasen in einem Alltag, der sie überfordert: Erfolg und Disziplin im Schwimmteam der Schule, wohltuende Nähe bei ihrer Freundin aus der Nachbarwohnung. Aber die Situation zu Hause wird immer chaotischer.

In der schwedischen Buchvorlage gleichen Namens von Susanna Alakoski geht es in erster Linie um die soziale Deprivation von Leenas Kindheit und Jugend, ob sich ihr Traum von den »besseren Zeiten« verwirklichen wird, lässt der Roman offen. Der dramaturgische Kniff des Drehbuchs von Pernilla August, die Tochter als Erwachsene mit der sterbenden Mutter und der verdrängten Kindheit zu konfrontieren, führt zu einer Zuspitzung mit therapeutischer Wirkung: Leena – von Rapace als ähnlich verschlossener Kämpfernatur gespielt wie ihre Lisbeth Salander aus der Millennium-Trilogie – wird von ihrer Vergangenheit wie von einem Springteufel verfolgt; sie verschwieg sie vor ihrem Mann und reagiert auf seine Anteilnahme und die ihrer Töchter zunächst mit hilfloser Wut. Erst als ihre Mutter gestorben ist, bricht der kindliche Ausruf: »Meine Mama« wie ein Befreiungsschlag aus Leena heraus. Mit seinem ungleichmäßigen Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit sorgt der Film stellenweise leider auch für Verwirrung; dem Zuschauer, der den Roman nicht gelesen hat, wird hier der Zugang eher erschwert.

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