Kritik zu Besprechung

- leider kein Trailer -

2009
Original-Titel: 
Besprechung
Filmstart in Deutschland: 
09.06.2011
L: 
82 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Dass viel geredet wird, bedeutet nicht unbedingt, dass auch viel verstanden wird: Stefan Landorf hat einen Dokumentarfilm über das Sitzungs- und Besprechungswesen gemacht

Bewertung: 4
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Die Besprechung, auch Sitzung, neudeutsch Meeting genannt, ist selbstverständlicher Teil modernen Arbeitslebens. Im Spielfilm hat sie Niederschlag vor allem in den beliebten Projektpräsentationen oder im modernen Polizeikrimi gefunden, in dem die kollektive Lagebesprechung zur Ermittlerroutine gehört. Im Dokumentarfilm (Ausnahme: Harun Farockis Finanzthriller »Nicht ohne Risiko« mit einem fiktionalen Spin-off in »Yella«) kamen Sitzungen bisher vor allem als dramaturgische – oft auch komische – Zwischenstopps in größerem Konfliktgemenge vor, etwa in Klaus Sterns »Henners Traum«. Jetzt hat Stefan Landorf einen Film gedreht, der sich mit konzentrierter Aufmerksamkeit ganz dem (deutschen) Besprechungswesen hingibt. Als ausgestiegener Arzt (»Aufnahme«, 2002) ist er vielleicht prädestiniert für ein Sujet, in dem kryptischer Fachsprech und hierarchisierende Rituale das kommunikative Feld beherrschen, mit GlaxoSmithKline und einer Forschungsfirma sind auch zwei medizinische Unternehmen in Landorfs dokumentarischem Portefeuille.

Zwölf Besprechungen aus dem Arbeitsbereich sind es insgesamt, die der Film beobachtend aus dem Sitzungsraum versammelt: Darunter der BDI, die Kindernothilfe, ein Gefängnis, diverse Marketingfirmen und eine große Personalabteilung, auch das Online Fernmeeting eines internationalen Finanzdienstleisters ist dabei. So unterschiedlich – von Edelstahl bis Resopal – die Sitzungsräume ausgestattet sind, ein Effekt ist fast überall gleich: Trotz intensiver Aufmerksamkeit kann der Zuschauer bei den – kaum geschnittenen – Gesprächen inhaltlich fast nichts verstehen, bekommt dafür umso mehr mit über die Macht alltäglicher Inszenierung im Büro. Ausnahmen sind interessanterweise die Sitzungen im formal durchhierarchisierten öffentlichen Bereich (Schule, Knast und Militär), wo einigermaßen Klartext geredet wird. Anscheinend sind es gerade die neuen offeneren Teamstrukturen und Kommunikationslehren, wo das Besprechungswesen hinter der scheinbaren Klärung von Sachverhalten vor allem der informellen Ausdifferenzierung von Hierarchien dient.

Zur Akzentuierung und Kommentierung des vorgestellten Materials lässt Landorf einzelne Sätze einmal von den jeweiligen Wortführern direkt in die Kamera und dann von Schauspielern nachsprechen, die den Bürohengsten interessanterweise an darstellerischer Professionalität weit nachstehen. Die farbigen Schiebekulissen im Studio als zusätzliches Trennelement sind eine hübsche, nicht wirklich aussagestarke Idee. Besser funktioniert da das Ende, wo die beteiligten Darsteller sich die im Lauf des Films angesammelten Worthülsen zu einem ebenso sinnleeren wie amüsanten Kauderwelsch an den Kopf werfen. Bei der Duisburger Dokumentarfilmwoche, wo »Besprechung« 2009 uraufgeführt wurde, kam auch die Frage, weshalb ausgerechnet die Politik im Film nicht vorkomme. Landorfs Antwort war einfach. Angefragt hatte er nämlich auch dort, es fand sich aber – wie übrigens auch im gesamten Medienbereich – niemand zur Mitarbeit bereit. Vielleicht wissen Journalisten und Politiker einfach zu viel über die Macht der Inszenierung.

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