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OmeU © The Party Film Sales

Der neue Film von Regisseurin Pia Marais ist ein Neo-Western mit postkolonialer Ausrichtung. Helena Zengel (»Systemsprenger«) verkörpert eine Jugendliche, die als Überlebende eines Flugzeugunglücks in den Regenwald kam

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Die Sonne blinzelt durch das dichte Blätterdach des Dschungels, nichts ist zu hören außer dem Summen seiner unzähligen Bewohner. Unten im Dickicht des Regenwalds krabbelt eine einzelne Ameise über weiße Haut. Es ist der Arm eines kleinen Mädchens mit rotblonden Haaren, das gerade die Augen öffnet. Das Gesicht ist blutverschmiert, am Körper hat es Schürfwunden, um sie herum liegen Schrottteile. Aus der Distanz nimmt es einen indigenen Mann wahr. Er wird sie wegbringen von hier, zurück zu den Menschen.

Pia Marais' vierter Spielfilm »Transamazonia« beginnt ebenso atmosphärisch wie rätselhaft. Wer ist dieses Mädchen? Was ist ihm geschehen? Ist die Szene seine Erinnerung oder ein Traum? Die Handlung, die neun Jahre später einsetzt, gibt nur nach und nach Hinweise. Rebecca (Helena Zengel, die Entdeckung aus Nora Fingscheidts ­»Systemsprenger«, 2019) ist inzwischen eine Jugendliche, und lebt mit dem Missionar Lawrence Byrne (Jeremy Xido), der ihr Vater zu sein scheint. Ihre Rettung als einzige Überlebende des Flugzeugabsturzes, bei dem auch ihre Mutter umkam, gilt vielen Gläubigen als Wunder, Lawrence setzt das Mädchen gewinnbringend für Predigten und Heilerrituale ein. Rebecca agiert sehr überzeugend vor der Gemeinde, dennoch bleibt unklar, ob sie selbst an ihre vermeintlichen Kräfte glaubt. In der Gegend wird im großen Stil der Regenwald abgeholzt, dagegen formiert sich Protest der indigenen Bevölkerung, die ihre Lebensgrundlage bedroht sieht. Die Frau des Vorarbeiters liegt im Koma, die eingeflogene Krankenschwester Denise (Sabine Timoteo) kann ihr nicht helfen. Nun soll Rebecca die Frau heilen, zum Dank würden die Holzfäller die Region verlassen. Parallel bringt Denises Anmerkung, Rebeccas Mutter gekannt zu haben, das Mädchen dazu, sich mit ihrer eigenen Identität auseinanderzusetzen und auch die ihr zugewiesene Rolle infrage zu stellen. 

Die Geschichte beruht lose auf wahren Begebenheiten. Juliane Koepcke, Tochter deutscher Einwanderer, hatte 1971 einen Flugzeugabsturz im brasilianischen Amazonas überlebt und sich tagelang allein zurück in die Zivilisation gekämpft. Werner Herzog hatte über die junge Frau den Dokumentarfilm »Wings of Hope« gedreht. Die in Südafrika geborene und in Berlin lebende Filmemacherin Pia Marais nimmt den Unfall nur als Inspiration, um sich mit großer narrativer Freiheit Themen wie Kolonialerbe, Ausbeutung und politischer Verantwortung zu widmen. Marais drehte in Französisch-Guyana, nahe der brasilianischen Grenze. Sie versteht »Transamazonia« als eine kolonialkritische Kooperation auf Augenhöhe, indigene Personen der Assurinis wurden vor und hinter der Kamera besetzt. Vor allem in der ersten Hälfte gelingt ihr ein atmosphärisch faszinierender Blick, auch dank der brillanten Aufnahmen von Kameramann Mathieu de Montgrand und eines vielschichtigen Sounddesigns. Doch die mäandernde Geschichte ist zu überfrachtet, bleibt letztlich auch in der späten Selbsterkenntnis ihrer Hauptfigur unglaubwürdig.

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