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Ich sehe es wie die Rezensentin:

Ein Leben wie im Rausch verdient einen rauschhaften Film und wer wäre da besser geeignet als Baz Luhrmann? Der exaltierte Popart-Stil des Australiers, geprägt von schnellen Schnitten, knalligen Farben, großen Gesten und einem dauerdröhnenden Score, der sämtliche Musikstile in einem Art Jukebox-Thermomix ordentlich durchschüttelt, ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Aber auch kaum jemand wird bestreiten, dass er so angestaubten Sujets wie Shakespeares „Romeo and Juliet“ oder Scotts Fitzgeralds „The Great Gatsby“ mit elektrisierender Verve die Patina weg geblasen hat. Nein, ein Mann der kleinen Gesten oder gar der subtilen Inszenierung ist Luhrmann ganz sicher nicht. Selbst der große Pinsel wird überflüssig, wenn die Farbeimer im Stakkato-Stil auf die Leinwand geklatscht werden.

Im Glamour-Olymp der Rock- und Popmusik herrschen ganz ähnliche Gesetze und wirken ganz ähnliche Mechanismen, aber ihre schillerndsten Ikonen von Queen, über Michael Jackson, Madonna bis zu Lady Gaga oder jüngst The Weeknd setzten sich gewissermaßen ins schon gemachte Nest. Denn das von Prüderie, Konservativismus und Bigotterie bestellte Feld hatte bereits ein anderer durchgepflügt und gleich auch noch das Saatgut der modernen Popmusik mit einem Füllhorn ausgeschüttet. Elvis Aaron Presley ist nichts weniger als der Begründer der modernen Pop- und Rockmusik wie wir sie kennen und seither zelebrieren.

Kreischende Teenager und hysterisch dagegen haltende Erwachsene trafen erstmals Mitte der 1950er Jahre aufeinander und Luhrman inszeniert diese ersten Jahre des King of Rock´n´Roll als fiebrige, dröhnende und permanent im oberen Drehbereich pulsierende Achterbahnfahrt. Die Nähe zur Zirkuswelt ist offensichtlich und gewollt, nicht nur weil Elvis Manager „Colonel“ Tom Parker hier sein Wurzeln hatte, sondern weil Elvis Zeit seines Lebens wie eine Zirkusattraktion präsentiert und wahrgenommen wurde. Dass der schüchterne Junge aus Tupelo, Mississippi so nie die Chance hatte ein ernst zu nehmender Künstler zu sein und letztlich daran zerbrach ist eine gern genommene Lesart dieser in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Vita.
Aber Luhrmann streift diese Thematik nur am Rande, an der Tragik um das Seelenleben und den frühen Tod des ersten Superstars der Musikgeschichte ist er nur am Rande interessiert. Das hat einige Elvis-Fans, aber auch einige Filmkritiker vor den Kopf gestoßen oder mindestens enttäuscht. Der Fokus des Films liegt auf dem Rausch, der Magie, der elektrischen Energie, die zwischen Künstler rund Publikum entstand. Hier ist Luhrmann in seinem Element, hier kann er seinen inszenatorischen Zauberkasten rausholen, hier zündet er sein Feuerwerk.

Zu Beginn ist das fast ein wenig anstrengend, wie bei einem fahrenden Zug, auf den ,am gerade noch aufspringen kann. Aber ist man mal an Bord, wird es ein Reise, bei der man aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt. Wie bei einer Luxuskreuzfahrt wird man an den absoluten Hotspots - erster Liveauftritt, erste TV-Show, Graceland, Hollywoodkarriere, TV-Comeback und Vegas-Showrunner - rausgeworfen und mit Eindrücken bombardiert. Vieles bleibt schlaglichtartig, aber dennoch entsteht ein stimmiges Gesamtbild der Starpersona, das sich regelrecht einbrennt. Das mag widersprüchlich klingen, aber es gibt einen leuchtend roten Faden, der alles zusammen hält und der heißt Austin Butler.

Wie sich der bis dato eher weniger bekannte TV-Darsteller in einen, wenn nicht den der charismatischten Sänger der Musikgeschichte verwandelt ist selbst eine Attraktion. Obwohl die äußere Ähnlichkeit zum junge Elvis gar nicht mal so frappierend ist, gelingt es Butler dessen Körpersprache und Ausstrahlung so exakt zu treffen, dass man beinahe an eine Wiedergeburt glaubt. Als der Film dann in die letzte Lebensphase Presleys eintritt, ist die Metamorphose auch optisch perfekt. Ds ist umso verblüffender, da es von Elvis berühmten TV-Comeback 1968 und der darauffolgenden Vegas-Festanstellung massenhaft authentisches Filmmaterial gibt.

Man kann dem Film sicherlich bewerfen, dass er die vorherrschende Lesart vom manipulierten Künstler und dessen profitgierigen Manager nicht nur bedient, sondern relativ ambitionslos übernimmt. Colonel Tom Parker ist auch bei Fuhrmann ein manipulativer, schmieriger und selbstsüchtiger Tyrann, der sich trotz gegenteiliger Aussagen ganz offenkundig nicht für den Menschen Elvis, sondern nur für die Bühnen- und Starfigur seines Schützlings interessiert und diese maximal vermarktet. Das ist hart an der Grenze zur Karikatur, zumal Tom Hanks eine recht schwache Vorstellung abgibt und es nie schafft, seine diabolische Figur in irgendeiner Weise interessant anzulegen. Da aber auch das Innenleben und die Gefühlswelt des von ihm Ausgebeuteten nur angerissen wird, fällt der schwache Antagonist kaum ins Gewicht. Immerhin fungiert er zusätzlich als Erzähler, der die vielen Ereignisse und Handlungsssprünge aus dem Off kommentiert und so für die nötige inhaltliche Orientierung sorgt.

Ob Luhrmann die toxische Beziehung der beiden Geschäftspartner mit mehr Gewicht und mehr Tiefgang präsentieren wollte, ist letztlich eine eher rhetorische oder akademische Frage, in jedem Falle sekundär. Sein Elvis-Film ist sicherlich kein klassisches Biopic, sondern der Versuch einem Superstar-Phänomen und seiner ganz besonderen Aura auf die Spur zu kommen, beziehungsweise beides greifbar, erfühlbar, erlebbar zu machen. Elvis Presley war auch schon zu Lebzeiten ein Rätsel, der Mensch hinter dem Star bestenfalls schemenhaft zu erahnen. Auch wenn sein tragisches Ende vermutlich zu großen Teilen genau darauf fußt, so ist aber auch sein bis heute anhaltender Legendenstatus ein unmittelbares Resultat. Baz Lurhmanns Elvis fokussiert ganz klar auf Letzteres, aber dank einer audiovisuellen Wundertüte sowie eines famosen Hauptdarstellers verlässt man das Kino dennoch glücklich und zufrieden. All shook up!

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