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Komiker Michael »Bully« Herbig wechselt ins Dramafach und verfilmt die spektakuläre Flucht mit dem Heißluftballon über die deutsch-deutsche Grenze, die 1979 zwei Familien aus Thüringen gelang

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»Und wann haut ihr ab?« Der Stasimann will nur wissen, wann seine Nachbarn in Urlaub fahren. Er kann nicht ahnen, dass die Strelzyks einen Heißluftballon gebastelt haben, um aus der DDR zu fliehen. In dieser Nacht wollen sie es wagen. Ihre Freunde, die Wetzels, kneifen in letzter Sekunde. Also müssen sie es allein tun. »Ballon« hält sich nicht lange auf mit ausführlichen Vorbereitungen. Ein paar Schlaglichter – Jugendweihe, Panzersperren, ein Mauertoter – müssen reichen, um die Zukunftslosigkeit in der damaligen DDR zu illustrieren. Dann geht es schon in den Ballon und hoch in die Luft. Und zu früh wieder herunter – nämlich bereits kurz vor der Grenze. So spannend wie der Fluchtversuch wird auch dessen Vertuschung inszeniert.

»Ballon« ist ein Drama über die spektakuläre Flucht, die den Strelzyks und Wetzels 1979 gelang. Die Bilder gingen damals um die Welt. Schon früh hat Hollywood den Stoff verfilmt, 1983 unter dem Titel »Mit dem Wind nach Westen«. Nun hat sich Michael »Bully« Herbig an eine Neuverfilmung gewagt. Sein Film wirft einen weit genaueren Blick auf die DDR, von der Machart her ist aber auch er ganz amerikanisch als Thriller angelegt. Das überrascht umso mehr, als es sich bei diesem Fluchtdrama auch im übertragenen Sinn um eine Grenzüberwindung handelt. Bisher war Herbig ganz auf Komödien geeicht. Auch wenn nicht jeder seinen Humor teilen mag, gelangen ihm mit »Der Schuh des Manitu« und »(T)Raumschiff Surprise« zwei der größten Kassenerfolge des jüngeren deutschen Films. Nun überrascht er mit seinem ersten ernsten Drama. Und setzt es mit einer Souveränität um, als hätte er nie etwas anderes getan. Zwar nimmt sich Herbig dramaturgische Freiheiten, wenn er die drei Fluchtversuche auf zwei reduziert und das lange Basteln am zweiten Ballon auf sechs Wochen verdichtet, weil die Stasi den »Volksverrätern« auf der Spur ist. Herbig hat aber über Jahre recherchiert, um die DDR so authentisch wie möglich ins Bild zu setzen. Und zeigt auch die perfiden Methoden der Stasi auf, wofür er Thomas Kretschmann, der 1983 selbst geflohen ist, spannend gegen den Strich besetzt hat.

Herbig gelingen sehr emotionale Momente. Er schafft auch Bilder, die sich einbrennen, etwa wenn die Strelzyks in Ostberlin vom Hotel aus auf den Westen schauen, was aber von außen als Spiegelung durchs Glas gezeigt wird, wodurch die Familie umso eingesperrter wirkt. Man sieht hier dem Filmemacher dabei zu, wie er sich völlig neu erfindet. Ein Regisseur, der die ganze Klaviatur des Spannungskinos bedient. Und dem es gelingt, dass man bis zur letzten Minute mitbangt, obwohl das Ende bekannt ist. Ganz zuletzt gibt es eine bittere Pointe. Als die Flüchtigen in Oberfranken landen, fragt ein Bayer: »Wie viele kommen denn da noch?« Da ist der Film plötzlich ganz nah an der heutigen Flüchtlingskrise. Und macht deutlich, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass auch Deutsche geflohen sind, weil sie keine ­Zukunft sahen.

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