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In seinem Western erzählt der holländische Regisseur Martin Koolhoven von der Gewalt gegen Frauen unter puritanischen Einwanderern im 19. Jahrhundert – in expliziten Bildern, die die Grenze zum Horrorgenre überschreiten
Es wäre noch zu früh, von einer Welle zu sprechen, aber der europäische Western gewinnt wieder an Einfluss. Im Gegensatz zum noch immer faszinierenden interkulturellen Spiegelkabinett des Italowestern der 60er und 70er Jahre befassen sich Filme wie Thomas Arslans »Gold« und Kristian Levrings »The Salvation« jedoch deutlich nüchterner mit dem Thema europäischer Emigration nach Amerika. Auch »Brimstone«, das englischsprachige Debüt des niederländischen Regisseurs Martin Koolhoven, schlägt in diese Kerbe und nimmt den Exodus holländischer Puritaner zum Anlass für eine höchst zweifelhafte Wildwest-Horrorstory.
Im Rahmen einer teilweise rückwärts laufenden Erzählstruktur folgt »Brimstone« der Leidensgeschichte einer jungen Frau, Liz (Dakota Fanning), und ihrem Peiniger, einem mysteriösen Priester (Guy Pearce). Der Schauplatz ist ein nicht näher spezifizierter Siedlungsraum im westlichen Amerika des 19. Jahrhunderts. Pearces Figur, eine extreme Version der schwarz gekleideten Bösewichter des klassischen Western, steht im düsteren Zentrum dieses Films: Seine mit puritanischer Frömmigkeit gepaarte Boshaftigkeit, die sich im Lauf des Films in Folter, Mord und Inzest äußert, ist der Motor des simplen, klischeehaften Plots, der im Grunde nur aus Liz' Flucht und ihrer kontinuierlichen Demütigung und Qual besteht.
Dass Regisseur Koolhoven vorgibt, mit religionskritischem Ansatz die Heuchelei des vermeintlichen Gottesmannes herauszuarbeiten, wirkt in diesem Zusammenhang bald ironisch; denn man hat lange keinen so heuchlerischen Film mehr gesehen wie »Brimstone«. Hinter den eleganten Bildern von Kameramann Rogier Stoffers und der zugegeben geschmeidig konstruierten Erzählform steckt nichts anderes als (S)Exploitation-Kino. Unter dem Vorwand der Anteilnahme für seine Protagonistinnen ergeht sich der Film in erotisierten Vergewaltigungs- und Folterszenen, deren Opfer ausschließlich weiblich sind. Unterlegt mit einem Kitsch-Soundtrack von Ex-Electro-DJ Junkie XL, soll der geschmacklose Trash zum Hochglanzkino mit feministischer Haltung erhoben werden. Jeder x-beliebige Splatterfilm hat jedoch mehr Integrität als dieser voyeuristische Groschenroman im Arthouse-Gewand.
Einzig Dakota Fanning und in geringerem Maße auch Guy Pearce halten den überlangen Film irgendwie zusammen; besonders Fanning verleiht mit ihrem zurückhaltenden Spiel noch den derbsten Szenen eine gewisse Würde. Davon abgesehen ergeht sich Koolhoven in der Aneinanderreihung von Zitaten aus besseren Filmen, im Besonderen »Die Nacht des Jägers«, gepaart mit billigen Schocks. Wie so oft geht der unbedingte Wunsch zu brüskieren nicht auf: Große Teile des Zweieinhalbstundenstreifens wirken wie Füllmaterial, das den Film auf »epische« Länge dehnen soll. Und auch die versuchte Rückbesinnung auf den Italowestern funktioniert nicht, fehlt es diesem Film doch völlig am verschrobenen Charme der Vorbilder.