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© Polyband

2015
Original-Titel: 
Human
Filmstart in Deutschland: 
20.10.2016
L: 
190 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Olympische Perspektive: Der Fotograf, Regisseur und Aktivist Yann Arthus-Bertrand (»Die Erde von oben«, »Planet Ocean«) betrachtet dieses Mal Menschen in aller Welt – bei der Arbeit, auf der Flucht, beim Heiraten

Bewertung: 3
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»Weltmächte, ermöglicht uns ein anständiges Leben! Sonst verhungern wir! Es ist die Schuld der Regierung und der Politiker, dass wir keine Kleidung haben, keinen Schlafplatz und keine Nahrung! Wir sterben!« Eine abgemagerte, alterslos scheinende Frau schreit diese Sätze voller Wut in die Kamera und damit auch uns Zuschauern entgegen. Und auch wenn man nicht zu den angesprochenen Personengruppen gehört und vielleicht sogar selbst Probleme mit dem Bezahlen der Miete hat, dürfte man sich als deutscher Zuschauer durch diese Ansprache in die Pflicht genommen fühlen.

Die namen- und ortlos bleibende Landarbeiterin (dass sie sich auf Reisfeldern verdingt, kann man aus ihrer Wuttirade erfahren) ist eine von etwa hundert Frauen und Männern aus aller Welt, die in Yann Arthus-Bertrands neuer Dokumentation einige Sätze zu Lebenserfahrungen oder ihren Einstellungen in die Kamera geben dürfen. Viele (doch keineswegs alle) von ihnen sind arm oder leiden unter Krankheit, Krieg, Flucht und sexueller Gewalt. Wenige aber sind so kämpferisch wie die anfangs erwähnte Frau. Und neben Resignation und Trauer werden durchaus auch positive Gefühle wie Liebe und Dankbarkeit artikuliert.

Die Statements sind Resultat einer großangelegten Recherche, die an Arthus-Bertrands ab 2003 realisiertes Multimediaprojekt »7 Billion Others/7 Milliarden Andere« anknüpft. Damals war 6000 Personen ein Katalog von vierzig Fragen vorgelegt worden. Für den neuen Film wurden mehr als zweitausend Menschen befragt; inszeniert sind sie als Chor in einheitlichen frontalen Nahaufnahmen, thematisch sortiert als Clips vor neutral dunklem Hintergrund. Dazu gibt es die von Arthus-Bertrand bekannten imposanten, von ethnisch inspirierter Musik begleiteten (und gerne zeitlupenverfremdeten) Luftaufnahmen von Wüsten und Reisfeldern, aber auch Massenhochzeiten und Minenarbeit. Diese hohe Kunst der opulenten Totale beherrschen er und Kameramann Bruno Cusa bravourös – außerdem sind sie Meister darin, das mit enormem technischem und organisatorischem Aufwand Hergestellte auf der Leinwand ganz leicht und selbstverständlich aussehen zu lassen. Allerdings wirken manche der so entstehenden Kontraste zwischen helikopter-ornamentaler Landschaftsschönheit und dem sozialen Elend drumherum beim Anschauen fast obszön.

Die Entscheidung, generell auf Hinweise zu Ort, Herkunft oder Tätigkeit der Gezeigten zu verzichten, ist der Idee geschuldet, damit das Verbindende menschlicher Schicksale zu betonen. Das mag bei einzelnen Zuschauern auch funktionieren, geht aber wie andere ästhetische Entscheidungen der Filmemacher (etwa die Kürze der Schnipsel und das Verzichten auf differenzierende Bildhintergründe) auf Kosten inhaltlicher Komplexität. Denn mit dem Fehlen jeglicher Kontextinformation geht für das Publikum auch die Möglichkeit zur Einordnung und zum Verständnis von Zusammenhängen verloren. Wer sich doch für solche Details interessiert, dürfte in den Statements bald gierig auf jeden Informationskrümel zu Umfeld oder Beruf der Dargestellten lauern. Der Rest ist emotionale Betroffenheit. Aber reicht das für einen zweieinhalbstündigen Film?

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