Und jetzt? – Über die Zukunft der Bond-Reihe

»Keine Zeit zu sterben« (2020). © Danjaq / MGM

»Keine Zeit zu sterben« (2020). © Danjaq / MGM

Am besten ist James Bond, wenn er einfach nur so dasteht, meint Georg Seeßlen. Jeder, der das hinbekommt, könnte die Nachfolge von Daniel Craig antreten, der sich mit »Keine Zeit zu sterben« verabschiedet. Die viel diskutierte Frage, ob 007 auch schwarz, queer oder eine Frau sein könnte, ist in dem Zusammenhang nachrangig. Und wird nach der Pandemie vielleicht eher ­konservativ entschieden. Eine Spekulation

Wer – oder was – ist James Bond? Ein erfolgreiches Heldenmodell der Spionage- und Verschwörungskolportage; aktualisiert mit zeitgeschichtlichen Bezügen und Assoziationen und gerade dann geboren, als der Krieg gegen den Faschismus in Deutschland, Italien und Japan überging in den »Kalten Krieg« gegen Russland und China, und als sich erste Krisenszenarien des freien Marktes am Vorabend seiner Globalisierung zeigten. 

Oder. James Bond ist eine traumhaft sarkastische, teils naive und teils verworrene Abbildung seines Autors, Ian Fleming, einst selbst in Beziehung zum britischen Geheimdienst, ein kleiner Meister der Mystifikation und der Identitätsauflösung. Oder. James Bond ist die Ausgeburt des staatsmonopolistischen Kapitalismus, ein mord- und sexgieriger Konsumfetischist. Ein Mann ohne Eigenschaften, aber mit Stil. Oder. Ein Rollenmodell für den modernen Macho und Kunden von Schneidern, Friseuren, Kosmetik, »Playboy«-Magazinen, alkoholischen Markengetränken, Hotelbars und Motorjachten. Oder. Eine Anziehpuppe, eine Spielzeugfigur, ein Merchandising-Genie, eine Übergangsfigur vom Kinderzimmer zur lebenslangen Postpubertät. Oder, nein: und. James Bond ist eine Parodie auf alles das, ein campy Popunikat der hemmungslosen Übertreibung und der reinen Oberfläche. 

Seine Filme erzählen nicht seine Geschichten, sondern Geschichten durch ihn; als Traum- und Identifikationsfigur ist er so durchsichtig und verspiegelt wie sonst keiner, und viel, viel mehr bleibt von einem Schauspieler in der Rolle als gewohnt. Der Sean-Connery-Bond, der Roger-Moore-Bond, der Timothy-Dalton-Bond, der Pierce-Brosnan-Bond, der Daniel-Craig-Bond, und ach, der George-Lazenby … eine Geschichte für sich. Nicht einmal bei Tarzan- oder Dracula-Darstellern verschmelzen Rolle und Schauspieler so miteinander, dass der Schauspieler immer wichtiger bleibt als die Rolle. Und nicht einmal bei Superheldenfilmen ist die Frage, wer der Nächste sein wird, der die Rolle übernimmt, so bedeutend. Der Schauspieler ist die Maske der Figur, und Maske ist alles, was die Figur ist. Dieses Konzept ist so kristallin, dass man es nicht hundertprozentig und jederzeit durchhalten kann, aber genau dort, wo es aufgeht, springt der berühmte Funke über und entzündet die mystische Einheit zwischen Zuschauerblick und Leinwandimago. Der Rest … na ja, es ist immer was los in James Bonds Abenteuerurlaubswelt. 

Er gibt es uns

Jedenfalls geht es um eine offene Figur, die wie für das Kino geschaffen scheint. Flemings Romane zu lesen, ist nicht mehr so prickelnd wie einst, und die Versuche, ihn zum Beispiel ins Comic-Medium zu übersetzen, waren nicht besonders glücklich, obwohl es immer wieder neue Anläufe dazu gegeben hat. Denn Bond ist im Wesentlichen ein Standbild, um das herum erst die Bewegung entsteht. Am beeindruckendsten ist er, wenn er einfach nur so dasteht. Alles andere könnten andere Action-Helden auch. Aber So-Dastehen, das kann nur Bond. Die Bewegung kommt bei ihm von den Dingen; er ist Teil seiner Beretta und seines Aston Martin, seines Anzugs und seiner Drinks, seiner Gadgets und überhaupt jeden Dings, das er in die Hände bekommt. Wenn er nicht Bond wäre, wäre er vielleicht Ripley. Einer, der da ist, wo er gar nicht hingehört, und einer, der sich selbst erfindet, weil er eigentlich niemand ist.

Auch seine Gegenspieler sind eher Mechaniker des Bösen; sie denken sich immer wieder neue Variationen aus, der Welt mit Maschinen statt mit Körpern habhaft zu werden. Wahrscheinlich sind sogar die Frauen in der Welt von James Bond nur dazu da, dass sich die Männer nicht berühren. 

Ansonsten wird Bond mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgetauscht und »zeitgemäßer« gemacht, einmal komödiantischer, einmal ein bisschen realistischer, dann wieder stilisierter, heavier oder ironischer. Er ist ein proletarischer oder kleinbürgerlicher Held, der sich in der Welt der Reichen und Schönen bewegt, mit einer Eleganz und einer Vitalität, die den echten Reichen und Schönen schon längst abhandengekommen ist – aber jeder Schauspieler macht genau das auf eine unvergleichliche Weise. Das ist der Trick. Ein Snob, der seine Herkunft radikal verleugnet hat, oder doch nicht radikal genug, denn in seiner Behörde gibt es durchaus eine Art Familienersatz, deren einzelne Charaktere man über die Matrix von Ian Flemings Biografie legen kann. M, so viel hat er verraten, ist das Kürzel für Mutter. Deswegen muss man Bond nicht gleich psychoanalytisch kommen, so wenig man ihn auf seine Funktion als Staatsterrorist mit der Lizenz zu töten reduzieren kann. Obwohl eine »Lizenz zum Töten« schon etwas Gruseliges hat, wenn man darüber nachdenkt, wozu man aber bei JB eher selten kommt. 

James Bond ist der Held der Verlangsamung und der Fetischisierung. Er ist weniger ein Meister der Verkleidung als einer, der sich unsichtbar machen kann, in einer Menge, in einer luxuriösen Umgebung. Ein Mann, der wenige Eigenschaften, dafür viele Eigenheiten hat. Und in alledem very british. Das heißt, einer mit Spleen. Warum Sean Connery immer noch als der ideale Bond gilt, hat auch mit seiner schottischen Bewegungsmelodie zu tun. Er ist eher der Igel als der Hase, immer schon da.

Die Offenheit der Figur machte sie so seltsam konsistent; das Genre, dem Bond entstammt, hat seine großen Tage lange hinter sich. Agenten erscheinen heute eher wie Bourne, und schon in seinen Anfangsjahren bekam JB Konkurrenz durch eher kritische, melancholische Agentenfilme – Bond kam weder aus der Kälte, noch hatte er seinen Leichnam gesehen, und vollkommen fremd war ihm die Verzweiflung eines Richard Burton. Irgendwann wurde diese Unkaputtbarkeit der Figur ihre vorherrschende Botschaft. Solange es James Bond gibt, ist die Welt noch nicht untergegangen, und jeder neue Bond-Film ist eine neue Leistungsschau von Special-Effects-Abteilungen, Location Scouts, Action-Regie, Ausstattung, dazwischen irgendwo und irgendwie versteckte Revisionen oder Doppelbödigkeiten. Zynisch gesprochen könnte man behaupten, ein guter James Bond ist einer, der in seinen Filmen nicht weiter stört. Aber natürlich verhält es sich auch anders herum. Ein guter Bond-Regisseur ist einer, der ganz und gar seiner Figur dient.  

James Bond gehörte zur neuen Britishness aus Swinging London, nicht anders als die Beatles und Kinks, Twiggy, Minirock, Monty Python. Alle diese Bilder waren nur denkbar, weil sie bis auf die Knochen britisch waren, Regenschirm und Doppelstockbus ironisch integriert. Es ist die Geburt des europäischen Pop, wo der Beat in den härteren Two-Tone-Ska der Specials übergeht: »Are you ready for this? / I told you he was coming, who? / J. B., and he's ready to sock it to ya one time. / Sock it to 'em, sock it to 'em / sock it to 'em, sock it to 'em …«

Ja, er gibt's uns, was immer es ist. James Bond ist eine Chiffre des hedonistischen Materialismus, enthält aber auch alle die Ängste, die sein Lebensstil zwangsläufig hervorbringen muss, einschließlich der Kastrationsangst, für die in »Goldfinger« das emblematische Bild geliefert wurde, die aber nie wirklich zu vertreiben ist aus dieser Welt der dann vielleicht doch nicht so reinen Oberflächen. 

Die große Leerstelle

Was James Bond jedenfalls nicht ist: ein vollständiger Mensch mit einer vollständigen Biografie, mit Beziehungen und Gefühlen. Vermutlich war genau das der große Fehler des einzigen Bond-Films mit dem armen George Lazenby: dass man die Figur mit einer Person verwechselte. JB ist eine Chiffre, eine serielle Konstruktion, eine Leerstelle. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie so dominant ausgestellt wird, ist seine Männlichkeit und seine Sexualität mehr oder weniger egal, auch seine »Weißheit« ist geradezu absurd übertrieben; von ihr könnte er sich wahrscheinlich genau so schnell lösen wie vom Verlangen nach einem geschüttelten Martini. Mit anderen Worten, am Kern der Figur würde sich so gut wie nichts ändern, wenn man sie einmal weiblich oder durch eine Person of Color besetzen würde, durch einen bekennenden Homosexuellen oder durch einen Teenager. Es sei denn, man würde versuchen, dazu eine Erklärung oder eine Backstory zu bieten – dann wäre die Figur ohnehin wieder einmal verloren. 

Dass er immer wieder neu erstehen muss in Gestalt eines neuen Darstellers, der dem Unternehmen einen eigenen Ton verleihen soll, ohne die Standardattraktionen zu gefährden – ein wenig wie Doctor Who, der sozusagen turnusmäßig neu besetzt wird, und bei dem die weibliche Besetzung schon durchgespielt wurde, ohne dass das Whoniversum explodiert wäre (allerdings ist Doctor Who ja auch ein Wesen ohne ausgeprägte geschlechtliche Identität) – gehört natürlich zur Überlebensstrategie der Figur. Die Geschichte muss nicht rebooted werden, da es keine nennenswerte origin story gibt (immerhin erfuhren wir unlängst, dass JB schottische Vorfahren hatte, wer hätte das gedacht). 

Bei alledem kann man James Bond auch als Darstellung eines schwerwiegenden psychischen Problems betrachten. Vielleicht ist Daniel Craig ja der erste Bond, der eine Ahnung davon hat, wie krank er ist und wie krank die Welt, in der er sich bewegt. Aber das ändert nur wenig am Konzept, wenn ein paar der Chiffren ausgetauscht werden und dieser Bond plötzlich absolut kein Interesse mehr daran hat, ob sein Martini geschüttelt oder gerührt ist. Jeder Bond-Darsteller muss diese Offenheit und Abstraktheit mitspielen können und mit den Rollenklischees spielen.

Entscheidend für einen Bond-Darsteller oder eine Bond-Darstellerin ist dieses Spiel mit der Zeichenhaftigkeit, der Zweitwirklichkeit, der Leerstelle. Bond ist am ehesten eine Schnittstelle, zwischen dem Lebensraum der Zuschauer*innen und dem Bildraum des Kinos. Beiden gehört James Bond gleichsam nur als Gespenst an. Im Bildraum funktioniert er nur, weil und während er angesehen wird, im Zuschauerraum funktioniert er nur, weil und während er Teil eines Rituals ist.  

Bond also könnte zwar ohne große Veränderung weiblich, mit einem chinesischen, afrikanischen oder indischen Schauspieler, als queerer Charakter oder auch durch einen Cyborg besetzt werden. Mit einer simplen Frage im Hintergrund: Wozu? 

Dabei hat Daniel Craig ein schweres Erbe hinterlassen. Denn er hat das Image bestätigt, indem er es infrage stellte. In seinen Filmen erscheint er oft, als würde er sich abwechselnd amüsieren oder ärgern, dass man ihn mit James Bond verwechselt. Er ist nicht weniger abstrakt und weniger offen als seine Vorgänger, aber vielleicht doch der Erste, der einen wirklichen Körper hat. Etwas, das man ist, nicht das, was man vorzeigt. Und das ist eine Hypothek für die zu besetzende Leerstelle. Kehrt man eher zurück zum Bond, der sich selbst kein Problem ist, oder schreitet man weiter auf dem Pfad der mehr oder weniger lustvollen Dekomposition? 

Revolution, Reform oder weiter so?

Sehen wir uns die Besetzungsmöglichkeiten, die in Business und Fandom im Schwange sind, ein wenig genauer an. Im Juni des Jahres 2000 befragte die britische Zeitschrift »Empire« ihre Leser*innen nach dem nächsten Bond; das Ergebnis: Jude Law, Ewan McGregor, Ralph Fiennes, Robbie Williams, Rupert Everett, Mel Gibson, Sean Connery, eine Frau, Ben Chaplin, Joseph Fiennes. In den letzten Jahren, bis vor der Pandemie, kursierten Namen wie Idris Elba, Richard Madden, Tom Hiddleston, Damian Lewis, Michael Fassbender, Tom Hardy, Jack Huston, Luke Evans, Clive Owen, Richard Armitage, Chiwetel Ejiofor, Benedict Cumberbatch, Emily Blunt oder Gillian Anderson.

Und was ist das Fazit eines solchen Besetzungsspiels? Eben genau dies: Fast jede und jeder könnte James (oder Jane) Bond spielen. Die einzige Voraussetzung ist körperliche Fitness und die Fähigkeit, zur Ikone zu erstarren. Man würde Akzente verschieben, gewiss, man würde, wie etwa bei Daniel Craig, einen leichten Mehrwert, ein wenig Widerhaken finden oder aber bei jemandem einen allzu geschmeidigen Dienst nach Vorschrift konstatieren. Auch ein Bond, der von Sequenz zu Sequenz eine oder ein andere*r ist (komödiantisch ja schon ausprobiert) oder wenigstens ein verdoppelter Bond käme durchaus in Betracht.

»James Bond 007 – Spectre« (2015). © Sony Pictures

Im Herbst 2021, nach den vielen Pandemie-induzierten Verschiebungen und dem letzten Auftritt von Daniel Craig in »No Time to Die – Keine Zeit zu sterben«, ist die Frage nach dem nächsten Darsteller oder der nächsten Darstellerin der emblematischen Kinofigur noch … seltsamer geworden. Jede Frage in die Zukunft scheint gerade … seltsam.

Man denkt nur an das, was man noch hat, und wie man »zur Normalität« zurückkehren könnte. Trost ist alles, was bleibt und wiederkehrt, Veränderung verheißt nichts Gutes. So sieht es in der Politik aus, so sieht es in der Kultur aus, so sieht es im Kino aus. Das trifft nun auf eine Gestaltung, deren Kontinuität gerade in ihrer Fähigkeit zur Veränderung liegt. Trauen wir uns zu wetten? Zum Beispiel, dass die Wahl der Besetzung nach der Corona-Krise, inmitten der Klimakrise und vor der nächsten Finanzkrise »konservativer« ausfallen wird als zuvor?

Sehen wir uns also den Besetzungsbaum noch einmal an: Der Coup der weiblichen Besetzung ist offensichtlich bereits vom Tisch, Barbara Broccoli hat ihn abgewehrt. Viel eher vorstellbar, wenn nicht gar allzu naheliegend ist ein Spin-off mit einem weiblichen Agenten-00-Irgendwas, wie es in »No Time to Die« mit Lashana Lynch angedeutet wird: Diversity kills the macho image? Oder: Diversity is the new macho. Ein queerer JB wäre wohl zu eindimensional, denn wie jeder wirkliche Held ist auch James Bond im Grunde seines Herzens polymorph-pervers – will sagen, seine erotische Beziehung zur Welt ist aus Suggestionen und Auflösungen gebildet. 

Bleiben fünf wichtige Entscheidungen, die eben nicht nur den Erfolg oder Misserfolg einer Produktlinie der internationalen Bilderproduktion ausmachen, sondern wohl allfällig als Symptom gelesen werden. Britisch oder nicht britisch? Weiß, nicht richtig weiß oder gar nicht weiß? Ein Newcomer, der sich zum Aufbau einer Bond-Karriere eignet – die bis dahin vorherrschende Strategie – oder ein halbwegs etablierter Akteur als Versuch einer Absicherung? Eine Rückkehr zum »modernen Barbarentum« oder eine weitere Drehung der Sophistication-Spirale? Und schließlich: Neuanfang, ein junger JB, der uns die Welt mit naiven Augen ansehen lässt, sagen wir Tom Holland als Bildnis des Agenten als junger Tor, oder Reflexion, also ein Spät-Bond, der seinen Heldenstatus infrage stellt, mit einem Noir-Touch, melancholisch und im Angesicht des Todes. Da wäre ein Robert Pattinson nicht von der Hand zu weisen: Aus den Nebeln der »Twilight«-Saga zu bizarren Außenseitergestalten mit blinden Stellen in der Psyche. Aber auch Michael Fassbender wäre eine interessante Option für einen Spät-Bond: einer, der gar nicht anders kann, als bei Gelegenheit in die eigenen Abgründe zu schauen. 

Ein schwarzer James Bond, wie zum Beispiel Regé-Jean Page, bietet mehrere Vorteile: Er bringt ein Spannungsfeld mit, in dem sich Macho-Aktion legitimieren kann, und mit der Serie »Bridgerton« hat er sich schon in das vormals so weiße, britische Genre aristokratischer Familiengeschichten eingeschrieben. Das Gegenstück wären superweiße Allzweckhelden wie James Norton oder Sam Heughton, ideale cineastische Knetmasse ohne große Hintergrundschatten. Wieder ein Gegenstück: Riz Ahmed, von dem es im obligatorischen Bond-Spekulationsartikel des »Esquire« wohl zu Recht heißt, er sei für die Rolle vielleicht einfach ein bisschen zu interessant. Die andere Option wiederum sind die ausgesprochenen »Kleiderständer« à la Henry Cavill oder Aidan Turner, was despektierlicher klingt, als es gemeint ist. James Bond war ja immer einer, der nicht nur durch seine Kleidung definiert wurde, sondern auch umgekehrt gewisse männliche Kleidungsstücke mit semantischer Fülle belegt. Die Kunst, einen Smoking oder etwas in der Art zu tragen, alles zwischen lässig, narzisstisch und widerwillig, ist nicht zu unterschätzen. 

»James Bond 007 – Casino Royale« (2006). © Sony Pictures

Wir erinnern uns: James Bond, das war einmal »der Held der freien Welt« (und der Zynismus darin war schon immer Teil des Cocktails). Es war neben der Repräsentation stets auch eine Frage mit diesem Status verbunden: Lohnt sich die Verteidigung dieser Welt noch? Versteht sie sich noch selbst? Welcher Preis wäre für ihre Verteidigung zu zahlen, sind ihre inneren Widersprüche nicht größer als die Bedrohung von außen, fällt der Held nicht immer wieder auf Verschwörungsphantasmen herein, statt die Strukturen zu erkennen? Ist das Dispositiv – die Eleganz – wichtiger als der Diskurs – die Ideologie –, die Intelligenz wichtiger als die Physis? Und überhaupt: Gibt es diese freie Welt noch oder ist sie ein Hirngespinst eines hoffnungslos aus der Zeit gefallenen Mannes, der ein paar Drinks zu viel gekippt und ein paar Leute zu viel aufs Kreuz gelegt hat?  

James Bond ist nicht nur keine Person, er ist nicht einmal wirklich eine Figur. Er ist eine kinematographische Lücke, ein Verbindungsstück, ein semantischer Grundbaukasten, eine Exekution des Bewegungsbildes, ein »Las Ninjas«-Effekt von Bild in Bildern in Bildern. Und eben der oder die dafür sorgt, dass immer was los ist, auch und gerade, wenn man anders als die meisten Kinohelden, gar nicht danach strebt, Subjekt der eigenen Geschichte zu werden. JB erzählt nichts; er verbindet Bilder miteinander. Eine Leerstelle ist zu besetzen. Wer etwas vom Kino versteht, weiß, dass das gar nicht so leicht ist. 

Meinung zum Thema

Kommentare

Ohne jeden Zweifel versteht sich Georg auf elaborierte Formulierungen. Das gehört vermutlich zu seinem Job. Es hat durchaus Spass gemacht den Beitrag zu lesen. Na ja, wie z. B. beim Genre "Western"; einfach gesagt: James Bond ist hierzulande überholt aber vielleicht nicht in der ganzen Welt. Eine rein kommerzielle Frage, ob und wie lange er weiterlebt. Revival in 20 Jahren ist nicht ausgeschlossen.

Die Lücke, die Craig hinterläßt kommt wohl nach der, die nach dem Ausscheiden Sean Connery entstanden war, am nächsten: für die jetzige Generation von JB-Fans ist es vielleicht nich so schmerzlich, da - meine Vermutung - die emotionale Bindung an Helden nicht mehr so ist, wie sie einmal war. Auch ist die politische Großwetterlage nicht mehr wie zur Zeit des kalten Krieges und die Faszination bzw. Sympathie für die Bond-Heimat England nicht mehr die selbe. Trotzdem, oder gerade deshalb, hat sich um Craig eine treue und leidenschaftliche Fangemeinschaft entwickelt, die ihn als legitimen Bond-Erben feiert und wiederum hohe Ansprüche stellt. Vielleicht muss die Bond-Geschichte wieder erst durch das Tal der Fehlbesetzungen gehen, bevor eine neue Ikone ent- oder auferstehen kann. Die Frage ist, ob der neue Bond dann noch in Kinosälen zuhause sein darf oder ob er sich den Gesetzen der Streaming-Serien beugen muß.

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