Kritik zu Kafkas Der Bau

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Die bis dato noch nie verfilmte Erzählung von Franz Kafka nimmt der Regisseur Jochen Alexander Freydank als Vorlage für eine allegorische Endzeiterzählung mit Axel Prahl in der Hauptrolle

Bewertung: 2
Leserbewertung
2.5
2.5 (Stimmen: 2)

Franz Kafkas letzte Erzählung »Der Bau«, entstanden kurz vor seinem Tod 1924, entwirft eine monströse Anderwelt. Ein animalisches, gleichwohl scharfsinnig reflektierendes Wesen hat seine erjagten Fleischvorräte in einem kunstvoll konzipierten, mit scharfen Krallen erbauten unterirdischen Labyrinth gebunkert, kann seinen Schatz jedoch nicht genießen. Die Stille ist trügerisch, »das Tier« lauert, es dringt gegen jedes der Sicherheitssysteme vor und treibt das erzählende Ego in kalte Panik. Kafkas Freund und Herausgeber Max Brod, der mit dem außerliterarischen Sprachgebrauch des Tuberkulose-Kranken vertraut war, deutet an, dass Kafka seine Husten- und Schwächeanfälle als »das Tier« bezeichnete, als elementaren Angriff auf seine Existenz.

Jochen Alexander Freydanks Film Der Bau folgt einer eigenen Interpretation. Kafkas luzide sinnliche Klarheit der Sprache bleibt zwar (introvertiert gemurmelt) aus dem Mund von Franz (Axel Prahl), dem einzigen Protagonisten im Original, erhalten, doch der absurde Weltinnenraum der Vorlage, ihre Verschränkung von Innen- und Außenwahrnehmung, Oben- und Unterwelt, kreatürlichem Instinkt und ins Wahnhafte kippender Bedrängnis hat mit der Konkretion des Visuellen im Film arg zu kämpfen.

Der Bau nach Freydank bedient sich der Vorlage nur als Folie für eine Parabel auf die psychotisch grundierte Einsamkeit unter dem Fluch totaler Entfremdung. Der Film will ein kulturkritisches Menetekel sein, er biete eine Vision des »Cocooning«, schlägt der Regisseur im Presseheft als Deutungsmuster vor und meint damit jene Zeitkrankheit einer größtmöglichen Abschottung gegen die überfordernde Außenwelt, die er als rasanten Absturz humaner Zivilisation versteht.

Sein Szenario bleibt indes artifiziell, der Film illustriert seine These pittoresk und vorhersehbar düster. Franz, ein Anzugträger und PC-Arbeiter mit Aktentasche, zieht mit Familie in einen kantigen alarmroten Hochbau, einen knastähnlichen Solitär inmitten einer menschenleeren winterlichen Vorstadt. Die Wohnung am Ende eines langen Ganges, die er bald immer aufwendiger verschließt, wirkt wie der abstrakte Rohentwurf einer hypermodernen Architekturvision.

Von Beginn an Solipsist und Textmaschine trotz Axel Prahls physischer Stärke, bleiben die Begegnungen mit dem Hausmeister (Josef Hader), dem Wachmann (Robert Stadlober), dem Schlosser (Devid Striesow), dem bösen Nachbarn (Roeland Wiesnekker), seiner Frau (Kristina Klebe), den Kindern und einer wachsenden Schar zotteliger Obdachloser im Treppenhaus auf knappe, die Paranoia markierende Sätze reduziert.

Die »Guarded Area«, auch die Stadt, zu der sich Franz durch eine freudlose Umwelt zur Arbeit aufmacht, sind am digitalen Reißbrett entworfene Chiffren. Irgendwann verschwindet die Familie mit einem Umzugsauto, und es setzt die Talfahrt in die Verwahrlosung ein. Franz wird gekündigt und konzentriert sich nun vollends auf die Ausschaltung der abstrakten Feinde. Der Regisseur verschweißt Stereotypen aktueller apokalyptischer Genrefilme mit einem prätentiösen kritischen Anspruch. Mit oder ohne Kafkas Vorlage drängt sich der Kunstwille in den Vordergrund.

Meinung zum Thema

Kommentare

Oh meine Herren- es geht in diesem Film doch nur um einen Geisteskranken, der in seiner Eigentumswohnung solange haust, bis die Stadt pleite geht und überall geplündert wird. Warum muss man das so unverständlich und kompliziert in Worte formulieren??? Man kann natürlich auch mit tiefgründigen Fremdwörtern um sich schmeissen wie mit Konfetti- macht den Film aber deshalb nicht spannender... VG

Es geht mitnichten um EINEN Geisteskranken sondern um eine geisteskranke Gesellschaft, die sich ständig durch Ausgrenzung von Übeln abschotten will, die in ihrem Innern lauern. Abgesehen von dem über weite Strecken akustisch unverständlichen Gemurmel von Axel Prahl scheint mir die filmische Realisierung eine gelungene Interpretation, obwohl in der Atmosphäre der düsteren Dystopie das komische Moment der literarischen Fassung völlig verloren ging. Früher gehörte Sprechunterricht übrigens zur Schauspielausbildung.

Heutzutage sind die Schauspielschulen offenbar allesamt Nuschelschulen. Dazu kommen dann oft noch unfähige Regisseure und Tontechniker, die mit "Hintergrund"-Geräuschen und -Musik den Text penetrant übertönen.

...man kann den Film sehen wie man will, eine kaum zu überbietende Katastrophe ist der Ton! Geflüster ist zum Teil völlig verzischt und unverständlich, und dank der unfassbar überdimensionierten, aufdringlichen Musik noch unkenntlicher gemacht...schade, ein guter Prahl hat das nicht verdient!

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