Berlinale: Sie haben es nicht gut gemacht

»Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« (2023). © Wolfgang Ennenbach

Am Dienstag wird Steven Spielberg den Goldenen Ehrenbären der Internationalen Filmfestspiele von Berlin entgegennehmen – dann der bis dato prominenteste Gast dieser Berlinale. Das Festival zeigt als deutsche Premiere seinen neuesten Film »Die Fabelmans«, ein autobiografisch gefärbter Rückblick in die 50er Jahre. Einige Filme des Wettbewerbs haben in diesem Jahr schon zurückgeblickt, die deutsche Regisseurin Emily Atef in den Sommer des Jahres 1990 in »Irgendwann werden wir uns alles erzählen« und Matt Johnson mit dem ungemein komischen »Blackberry« in die Geschichte des Unternehmens, das das Smartphone erfand und mittlerweile vom Markt verschwunden ist.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass der neue Film von Margarethe von Trotta, der am Sonntag Premiere hatte, sich einreiht in die Liste historischer Frauenporträts, für die der Name der Regisseurin mit Filmen wie »Rosa Luxemburg«; »Hildegard von Bingen« und »Hannah Arendt« ja auch steht. Aber »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« ist kein Biopic, sondern gewissermaßen die Autopsie der, wie wir heute sagen würden, toxischen Beziehung zwischen der österreichischen Schriftstellerin und ihrem Schweizer Kollegen Max Frisch.

Als sie sich 1958 in Paris kennenlernten, gehörten beide schon zum literarischen Establishment. Bachmann war durch ihr poetisch-brutales Hörspiel »Der gute Gott von Manhattan« bekannt geworden, Frisch als Dramatiker mit »Biedermann und die Brandstifter«.

Es ist eine Beziehung, die von Anfang an den Kern ihres Scheiterns in sich trägt. Ingeborg Bachmann (gespielt von Vicky Krieps) will eine offene, freie Beziehung, Max Frisch (Ronald Zehrfeld) wirkt in diesem Film eher wie ein Biedermann, den seine Eifersucht zerfrisst. Eine undankbare Rolle, die Zehrfeld mit einer raumgreifenden Präsenz verkörpert.

Trotzdem zieht Bachmann zu ihm nach Zürich für eine Zeit. Und verstummt in seiner Umklammerung und Enge. Trotta symbolisiert das durch das laute Klackern seiner Schreibmaschine, die Bachmann nervt. »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste« ist lange vor der Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen den beiden im November letzten Jahres entstanden, der den bezeichnenden Titel trägt »Wir haben es nicht gut gemacht«.

Eine Wohnung in Bachmanns geliebtem Rom wird zum Versuch, die Beziehung noch einmal zu kitten. Der aber gründlich misslingt. Sie entdeckt, dass Frisch sie in seinem Tagebuch quasi als literarisches Rohmaterial behandelt und nennt ihn einen Vampir. So thematisiert Trottas Film auch den unterschiedlichen künstlerischen Prozess der beiden. Während der eine eher auf die Geschichte fixiert ist, so die andere auf die genau abgewogenen Worte.

Die titelgebende Reise in die Wüste mit dem Autor Adolf Opel, immer wieder zwischen die Handlung in Zürich und Rom geschnitten, bedeutet für sie so etwas wie ein Verarbeiten und eine Befreiung aus ihrer existenziellen Krise. Von Trotta hat ihren Film trotz der Zeitsprünge mit einer Bedächtigkeit inszeniert, die nicht immer der Leidenschaft dieser Beziehung gerecht wird.

In die Vergangenheit reicht auch ein weiterer Film des Wettbewerbs: »Past Lives« der in New York lebenden Dramatikerin Celine Song. Er erzählt von zwei Kindern, Nora und Hae Sung, deren Zuneigung durch die Auswanderung von Noras Eltern auseinandergerissen wurde.

Nach zwölf Jahren treffen sie sich (über Skype) wieder, nach weiteren zwölf Jahren kommt Hae Sung zu Besuch nach New York, wo Nora mittlerweile als etablierte Dramatikerin mit ihrem Mann lebt. Was ist zwischen Nora und Hae Sung? Regisseurin Song verzichtet auf allzu einfache Erklärungen, lässt aber immer die Möglichkeit offen, dass es auch anders hätte laufen können zwischen den beiden. »Past Lives« war das bislang anrührendste Stück der Berlinale und auch ein wunderbarer New-York-Film.

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