Preiswert

»There Is No Evil« (2020). © Cosmopol Film

Dieses Jahr war kein gewöhnliches Berlinale-Jahr. Denn ein Jubiläum und ein neues Leitungsduo, das ist schon etwas besonderes. Sollte man das nicht irgendwie merken? Immerhin wurde ein zweiter Wettbewerb »Encounters« eingeführt, der einem experimentellen Kino Raum geben sollte, dass es in Berlin allerdings immer schon gab. Dieter Kosslicks Lieblingssektion des »kulinarischen Kinos« verschwand nahezu unbemerkt. Liegt denn der der Wert eines solchen Traditionsfestivals darin, möglichst wenig und das Wenige sehr sanft zu verändern oder ein neues Profil zu entwickeln, zumindest alle paar Jahrzehnte mal. Ein radikaler Eingriff der ebensoviele erfreut wie verärgert hätte, das hätte man von Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian auch erwarten können.

Im diesjährigen Wettbewerb jedenfalls konnte man keine wirklichen Veränderungen wahrnehmen. Breit international aufgestellt, von der Schweiz bis nach Kambodscha, USA, Italien, Frankreich ohnehin, thematisch düster, politisch und in jedem Fall engagiert. Unterhaltung war in Berlin schon lange kein Wert mehr und im Wettbewerb erst recht nicht. Es gab braven Applaus, wenig Buhs und viel Schulterzucken in diesem Jahr, bis dann am letzten Tag des Festivals ein Film gezeigt wurde, der viel von dem rettete, was man von einem Festival dieser Art erwartet. Mohammad Rasoulofs großartiger Film, dessen Titel man mit »Es gibt nichts Böses« übersetzen könnte, hat den goldenen Bären mehr als verdient, denn er ist in vielerlei Hinsicht beachtenswert. Erstmal wurde er in der Illegalität gedreht, Rasoulof hat keinen Pass und darf das Land nicht verlassen. Dann spricht er sich deutlich gegen die im Iran häufig verhängte Todesstrafe aus, und zwar nicht mit moralischen Parolen, sondern indem er vier berührende Geschichten erzählt. Und er ist dabei spannend, umsichtig fotografiert und in einem unglaublich stimmigen Rhythmus erzählt, den man bei dieser Berlinale oft vermisst hat.

Das gilt auch für das Abtreibungsdrama »Never Rarely Sometimes Always« der US-Amerikanerin Eliza Hittman. Sie hält sich ebenso mit Wertungen zurück und erzählt lieber. Ihre beobachtenden Haltung hat dabei etwas poetisches. Bei den Schauspielern gab es schon im Vorfeld viel Lob für Elio Germano, der zwei Filme im Wettbewerb hatte, einmal einen cholerischen Vater, in dem anderen einen psychisch kranken Maler spielt. So unterschiedliche Typen glaubhaft zu vermitteln war schon einen silbernen Bären wert. Paula Beer hingegen, die vielen aus der Serie »Bad Banks« bekannt ist, folgt ihren Vorgängerinnen in den Filmen von Christian Petzold. Sie bekommt den Preis für ihre Rolle in dem hervorragenden Film »Undine«, sehr zu recht. Allerdings übersieht man dabei, wie zentral die Regie in Petzolds Filmen ist, wie stark er die Schauspieler führt und dafür sorgt, dass sein Konzept aufgeht. Würde man den Wettbewerb an seinen Preisen messen, wäre es ein hervorragendes Jahr gewesen. Doch über mindestens 10 der 18 Filme breitet sich ein gnädiges Schweigen.

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