Persisch für Anfänger

»Persian Lessons« (2020). © HYPE FILM

Ich weiß nicht, warum man extrem kritisch wird, wenn Filme versuchen, den deutschen Faschismus zu thematisieren. Dann jedenfalls ist jede Ironie entweder zu zahnlos oder zu bitter, jede Handlung entweder zu banal oder zu abstrakt, jede Figurenkonstellation entweder zu oberflächlich oder zu klischeehaft. Bei Vadim Perelmans Film »Persian Lessons« stimmten allenfalls die Steinbruchszenen nicht. Auch bei den Nazis war man nicht so dumm, auf Granitblöcke mit Spitzhacken einzudreschen, oder mit einem kleinen Hammer Beschäftigung vorzutäuschen, wo schweres Gerät nötig gewesen wäre. Was dieser Film aber leistet, ist, bei aller vorgeschobenen Wahrhaftigkeit, eine kleine Geschichte aus einem französischen KZ zu erzählen und damit vor allem eines zu zeigen: es gab kleine Ecken und Winkel in denen Menschen den Terror und den Hass eines ganzen Volkes überlebten. Mit schrägen Tricks und glücklichem Zufall, oder beidem.

Und man muß solche Geschichten erzählen, weil die Zeit der respektvollen Andacht tatsächlich vorbei ist und heute Humor, Ironie und einfache Wut möglich sind. Letztlich ist es egal, wie gelungen oder wie gefällig solche Filme sind, sie leisten ihren Beitrag zur Aufarbeitung, die niemals abgeschlossen sein kann. Und ob die Geschichte von dem Sohn eines belgischen Rabbis der sich infolge als Perser ausgibt und sich Reza nennt nun wahr ist oder nicht, ist dabei völlig unerheblich. Wahrscheinlich war es der Zufall, er tauscht ein persisches Buch gegen ein Stück Brot ein, der die Identität bestimmte. Vielleicht sogar das Wissen um die arischen Ursprünge der persischen Völker, sicher aber nicht die Spekulation darauf, von einem Offizier als Farsi-Lehrer angestellt zu werden. Um nicht aufzufliegen erfindet er eine Sprache, die nicht nur sein Schüler als wunderschön bezeichnet. Sie klingt wahrhaftig. Um sich die Worte besser merken zu können, leitet er sie von den Namen und Eigenschaften der Lagerinsassen ab, dadurch fallen sie zwar immer etwas kurz aus, doch das stört weder den eifrigen Schüler noch den Zuschauer. Am Schluß jedenfalls, wenn der Nazi-Offizier heimlich unter falschem Namen in den Iran einreisen will, nutzen ihm die 2400 Wörter, die er mühsam gelernt hat, nichts. Im Gegenteil. Nur weil er darauf beharrt Farsi zu sprechen und sich nicht eingestehen kann, dass er jahrelang zum Narren gehalten wurde, wird er festgenommen. Für Reza allerdings hat diese Sprache, die er ja ebenfalls lernen mußte nicht nur den Zweck, dass er sich mit dem Offizier ganz intim verständigen kann, was schließlich zu seiner Rettung führt, sondern vor allen den, dass er nach Vernichtung der Lagerakten 2400 Namen memorieren kann. Und das ist tatsächlich etwas, was in der Erinnerung an den Holocaust ungeheuer wichtig ist. Den namenlosen Opfern ihre Identität zurückzugeben und daran zu denken, das 6 Millionen eine bedeutungslose Zahl ist neben ein paar Namen, die ihre eigene Geschichte mitbringen.

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